Aufbruch
Kapitel
1
Leichen. Überall
Leichen. Halb verrottete Leichen. Und sie bewegten sich alle
gradewegs auf ihn zu. Verzweifelt schlug Cocan mit letzter Kraft,
längst nur noch mit einem Schwert bewaffnet, nach den ihn
erreichenden Untoten. Es waren zu viele, die Ersten hatten sich in
seinen Armen und Beinen verbissen und begannen an ihm zu zerren.
Cocans Sichtfeld
schrumpfte immer mehr, alles begann schwarz und kalt zu werden. Das
Letzte was er spürte war der Schmerz seiner reißenden Sehnen und
Muskeln.
Cocan erwachte
schweißgebadet. Sofort sprang er auf, den Dolch der immer im Schlaf
neben ihm lag bereit zum Stoß. Erleichtert realisierte er, dass er
allein im Wald war, die Sonne begann gerade aufzugehen. Wütend
schleuderte Cocan den Dolch in Richtung eines Baumes und trat gegen
eines seiner umherliegenden Bündel.
Das war nun die elfte
Nacht in Folge in der er den selben Traum hatte. Jedesmal war er am
Ende gestorben. Während das weg getretene Knäul aus
Kleidungsstücken und Bogensehnen noch im Flug in Richtung der jungen
Sonne war, drehte sich Cocan um und griff nach der ledernen Flasche
die von einem der Äste baumelte. Sein letzter Met. Wenn er nicht
bald in die Nähe eines Dorfes kam würde der Rest der Reise deutlich
weniger Spaß machen als es ohnehin schon der Fall war. Nicht
zuletzt, da seit ungefähr zwei Wochen sein Wüstenkraut aufgebraucht
war und er sich mit widerlichem, schlicht "Kraut" genannten
Zeug zufrieden geben musste was er einigen Orks abgenommen hatte.
Seufzend begann Cocan
seine verstreuten Habseligkeiten aufzusammeln. Das Ende der Reise war
noch nicht in Sicht, aber die Reise würde auf jeden Fall
beschwerlich werden, soviel wusste er. Nachdem Cocan seine Sachen so
gut es ging verpackt hatte ging er noch einmal alles durch. Die
schwarze Lederrüstung, darüber eine schwarze Leinentoga.
Versilberte Stahlplatten an den Unterarmen und Schienbeinen. Beide
Schwerter links am Gürtel. Ein Dolch hinten am Gürtel, durch den
Mantel verdeckt. Das Wurfbeil rechts am Gürtel. Der Bogen und ein
Köcher voll verschiedener Pfeile über der Schulter, links neben dem
großen Bündel auf seinem Rücken, halb verdeckt von einem kleinen
Eichenschild. Die Lederflasche mit dem letzten Met in der rechten
Hand, die Pfeife, gestopft mit ekelhaftem Ork-Kraut in der Linken. Er
konnte aufbrechen.
~
Viele Meilen entfernt,
fernab von Tag und Nacht wo die Welt immer im Zwielicht der Dämmerung
lag stieg ein alter Mann die Stufen zu einem schlanken, schwarzen
Turm hinauf. Auf der drittletzten Stufe hielt er kurz inne, wie um
für den Rest der Treppe Kraft zu sammeln. Er nahm die letzten drei
Stufen mit einem einzigen, großen Schritt. Dunkel schimmerte die
alte Tür aus dem schweren, schwarzen Metall vor seinen Augen.
Verschwommen konnte er
sich dabei beobachten wie er langsam das Messer, welches aus dem
selben Material zu sein schien wie die Tür vor der er stand zur Hand
nahm und langsam seinen linken Unterarm der Länge nach aufschlitzte.
Ruhig wischte er die blutige Klinge an seinem fleckigen Kittel ab und
tat sie an ihren Platz zurück.
Mit größter Sorgfalt
begann er mit seinem Blut einen Kreis auf die Tür zu malen. Nachdem
der alte Mann den Kreis beendet hatte brachte er auf der Innenseite
in regelmäßigem Abstand unleserliche Runen an. Wieder hielt er kurz
inne, dann drückte er seine blutige Hand in die Mitte des Kreises.
Die Tür öffnete sich, und der Alte trat ein.
Donnernd knallten die
Flügel des Tores hinter im zusammen, trotz des Alters mit einer
solchen Präzision das nicht der kleinste Strahl des grauen Lichts
durch sie hindurch drang. Doch das war auch gar nicht notwendig, denn
dort wo wohl ehemals das vierte Stockwerk gewesen sein mochte war der
Turm einfach zersplittert als hätte ein Riese den oberen Teil
einfach abgebrochen. Im Halbdunkel schaute der Greis sich um, wobei
sein Blick auf den toten Körper vor im fiel der ihn höhnisch
anzugrinsen schien.
Er hielt kurz inne, so
als hätte er einen kurzen Blick in seine Zukunft erhascht. Wieder
nahm er das Messer vom Gürtel. Mit der selben Ruhe wie zuvor führte
den Stahl an seine Kehle. Langsam, aber bestimmt und gleichmäßig
zog er die Klinge von links nach rechts. Er sank auf die Knie. Er
spürte wie das Blut warm über seinen Körper lief und seine Sinne
zu schwinden begannen. Sein letzter Gedanke war was wohl sein König
sagen würde, wenn er wüsste was aus ihm geworden war, dem letzten
Bewahrer des Lebens.
~
Dreck.
Mittlerweile waren drei eintönige Tage vergangen und sowohl der Met,
als auch das Ork-Kraut waren restlos aufgebraucht. Wenigstens schien
es als würde vor ihm ein Dorf liegen, jedenfalls konnte Cocan Rauch
am Horizont erkennen. Wenn er Glück hatte gab es einen Tempel der
Bewahrer, vielleicht sogar ein Gasthaus.
Denn obwohl die Mönche
in den Bewahrertempeln jeden Reisenden aufnehmen mussten, so war es
ihm lieber nicht auf einer steinernen Platte zu schlafen und zum
Frühstück Früchtebrot und Saft hinunterwürgen zu müssen. Bis er
im Dorf ankäme würde es zwar schon Mittag sein, aber eben erst
Mittag, also mehr als genug Zeit um einen erträglichen Schlafplatz
zu finden. Vielleicht gab es ja ein paar einsame Töchter in seinem
Alter im Dorf, die gerne ihr Bett mit einem Abenteurer kurz vor
seinem zwanzigsten Sommer teilen würden. Einen Streifen Fleisch aus
dem Bündel auf seinem Rücken ziehend ging Cocan weiter.
Na toll. In der
letzten halben Stunde hatte Cocan sich schon gewundert was zur Hölle
denn bitte so stank. Jetzt wusste er es, und ganz nebenbei hatte sich
die Sache mit dem Dorf auch mehr oder weniger erledigt. Denn das Dorf
war es, was so bestialisch nach brennendem Fleisch stank, was auch
ganz natürlich für ein frisch abgebranntes Dorf ist.
Trotzdem war Cocan nicht
grade glücklich darüber, dass er nun noch länger ohne Kraut und
Met leben musste. Ach was, Met, er wäre ja schon mir Bier zufrieden
gewesen. Aber nein, diese elenden Trottel mussten sich ja natürlich
gerade jetzt mitsamt ihrem verdammten Dorf abfackeln lassen, dabei
hätte es niemandem geschadet wenn das Dorf erst nach seiner Abreise
verwüstet und zerstört worden wäre.
Mit deutlich getrübter
Laune schlenderte Cocan durch die von Asche bedeckten Straßen. Er
wollte das Dorf schon wieder verlassen, da hörte er hinter sich ein
leises Knirschen, wie wenn man auf groben Kies tritt. Langsam drehte
er sich um. Cocan sah gerade noch das etwas auf ihn zuflog, da riss
es ihn schon von den Füßen. Noch bevor er auf dem Boden aufschlug
war er bewusstlos. Wäre er nur noch ein paar Sekunden länger bei
Bewusstsein geblieben hätte er die vermummten Gestalten bemerkt die
auf ihn zukamen.
"Bindet mich los,
verdammt noch mal!" Cocan schrie mit einer Stimme und in einer
Lautstärke das jeder Mensch der nicht tot oder ebenfalls gefesselt
wäre ihn umgehend befreit hätte, nur um zu verhindern das er noch
zorniger würde.
Doch die drei Vermummten
in den grauen Mänteln schienen reichlich unbeeindruckt. "Schrei
nicht so, das macht die Singstimme kaputt", sagte der in der
Mitte stehende mit leichtem Hohn in der Stimme. "So jung und
schon so verdorben. Erst Dörfer abbrennen und dann auch noch
rumbrüllen wenn Konsequenzen in Sicht sind", fügte der, der in
der rechten Ecke lungerte hinzu.
"Ich habe das
beschissene Dorf nicht abgefackelt", presste Cocan, außer Atem
vom schreien, mit deutlich ruhigerer Stimme hervor. "Wieso
sollten wir dir glauben?", fragte wieder der in der Mitte, der
wohl so eine Art Vorgesetzer der anderen beiden zu sein schien. "Du
hast mehr als genug Waffen dabei, gute eineinhalb Flaschen
Brandbalsam und ein Feuereisen. Und dann bist du auch noch mit einer
Selbstverständlichkeit zwischen den verbrannten Leichen von Frauen
und Kindern herumgeschlendert als würdest du das jeden Tag tun."
"Ja gut, ich war
nicht ganz so mitfühlend wie ich vielleicht hätte sein können,
aber ich hatte mich schon seit ein paar Stunden darauf gefreut mal
wieder etwas anderes als Wasser zu trinken zu kriegen und mit etwas
Glück auch auch einen Beutel Wüstenkraut und 'ne Frau für die
Nacht." Die Gestalt in der Mitte begann zu schmunzeln und zog
sich die Karpuze aus dem Gesicht. Augenscheinlich ein Elf.
"Die Menschen sind
doch immer wieder aufs Neue faszinierend. Noch vor 50 Jahren waren es
nur die Alten von ihnen die gesoffen und dieses unglaublich
widerwärtige Grünzeug geraucht haben und nur die Spielleute und
Narren die in jedem Dorf ein neues Weib hatten. Nun fangen schon die
so an die man nur mit viel gutem Willen schon als Männer bezeichnen
kann."
Die anderen beiden zogen
nun auch die Kapuzen ab. Cocans Laune hatte sich in den letzten
Sekunden, sofern das überhaupt noch möglich war, ein weiteres Mal
immens verschlechtert. Er hatte zwar noch nie einen Elfen getroffen,
aber laut dem was er hier und da aufgeschnappt hatte waren sie
allesamt hochnäsige, arrogante Zeitgenossen mit einem unerträglich
Sinn für Humor. Sonst wusste er eigentlich nichts über sie, aber er
hatte auf keinen Fall vor sich seine Verunsicherung anmerken zu
lassen.
"Also, was machen
drei Elfen, gekleidet wie alte Nonnen, in einem abgebrannten Dorf?
Jetzt mal davon abgesehen das ihr offenbar gerne Reisende irgendwo
anbindet und ihr Gepäck durchwühlt." Cocan hoffe das er seine
Frage nicht zu provokant gestellt hatte, denn auch wenn er es nich
gerne zugab unterlag er der Gnade der drei Elfen.
"Ich mag ihn. Er ist
lustig", ließ der Elf der sich bis jetzt noch garnicht zu Wort
gemeldet hatte verlauten. "Vielleicht sollten wir ihn mitnehmen,
wer weiß wofür wir ihn gebrauchen können", fuhr er fort. Der
Anführer gab den anderen beiden ein Zeichen, woraufhin sie ihm in
eine dunkle Ecke folgten wo die drei sogleich leise zu diskutieren
begannen.
Cocan nutzte die Zeit um
sich etwas umzusehen. Offenbar hatten die Elfen ihn in eines der
weniger beschädigten Häuser gebracht. Das bedeutete das irgendwo in
der Nähe noch seine Ausrüstung liegen musste, und auch das er
wusste wie er am schnellsten zur nächsten Stadt käme. Gut, das war
jetzt nicht weiter hilfreich, die letzte Stadt auf seiner Reise war
etwa einen Monat weit entfernt.
Aber für den
unwarscheinlichen Fall, dass er die drei Elfen würde überwältigen
können wüsste er immerhin wo er war.
Mittlerweile
schienen die Drei ihre Unterhaltung beendet zu haben. Der Anführer
kam auf Cocan zu, die anderen Beiden verließen das Gebäude. "Wir
werden morgen aufbrechen. Ob du hier angebunden verhungern wirst,
oder wir dich mit uns nehmen hängt davon ab ob du zu etwas taugst
und wessen Geistes Kind du bist. Bevor wir uns auf den Weg machen
werden wir dich prüfen. Bestehst du die Prüfung, so kannst du mit
uns kommen. Wir haben sogar in den Ruinen des Dorfes etwas von dem
Wüstenkraut gefunden das du so liebst. Bestehst du die Prüfung
nicht... nunja", der Elf zog seinen Dolch, "dann solltest
du hoffen, dass ich so gnädig bin dir ein schnelles Ende zu
bescheren. Ich lass dir den hier, damit du es nicht vergisst.",
sprach er im hinausgehen und trieb den Dolch in einen Balken.
~
Vor der Turmruine, in
welcher der Greis seinem Leben ein Ende bereitet hatte war
mittlerweile eine kleine Gruppe zusammengekommen. Einer stieg gerade
die Stufen hinauf und begann das Ritual zu vollziehen, welches die
Tür zu öffnen vermochte. Als es abgeschlossen war betrat die ganze
Gruppe den Turm. Es war ein bunt zusammengewürfelter Haufen, unter
ihnen waren auch Kinder und Frauen die Säuglinge in der Armen
hielten.
Sie blickten auf die am
Boden liegenden Leichen. Die eines alten Mannes dort in der Mitte des
Turmes schien frischer zu seien als die meisten anderen, jedoch war
er nicht der letzte gewesen der hier sein Ende gefunden hatte, soviel
konnte man sicher feststellen.
Der, der das Tor geöffnet
hatte begann durch die Gruppe zu gehen und einem nach dem anderen die
Kehle aufzuschlitzen. Bei denen, die Kinder auf dem Arm trugen tötete
er erst diese, wohl damit die Mütter im Sterben nicht versehentlich
auf ihren noch lebenden Kindern zu liegen kämen, denn auch wenn er
nicht zimperlich war zerrte er nicht gerne Tote durch die Gegend.
Als er sich sicher sein
konnte das keiner der anderen mehr lebte zerschnitt auch er seine
Kehle. Als das Leben aus ihm schwand blickte er ein letztes Mal auf
seine Frau und seinen Sohn die er soeben hingerichtet hatte. Eine
Träne rollte über seine Wange. Dann starb auch er.
~
Cocan hatte die letzten
zwei Stunden damit verbracht seine Handfesseln zu zermürben, da er
irgendwie nicht sonderlich große Lust darauf hatte bei der Prüfung
eventuell zu versagen. Er ging zwar davon aus, dass er sie bestehen
würde, aber man muss sein Glück ja nicht unnötig strapazieren.
Endlich hatte er die
rechte Hand frei. Der Rest war fast zu einfach. Die linke Hand aus
der Schlaufe ziehen, die Fußfesseln enfernen und aufstehen. Ein
kurzer Blick durch den Raum bestätigte seine Annahme, dass seine
Besitztümer mit Sicherheit irgendwo waren, nur nicht hier. Also
blieb ihm nur der Dolch den der Elf in dem Balken zurückgelassen
hatte. Recht betrachtet war das sehr unvorsichtig gewesen, aber das
kam Cocan ja im Moment mehr als gelegen.
Ruckartig zog er die
schlanke Klinge aus dem verkohlten Holz. Ein schönes Stück, fast
besser als sein eigener Dolch, aber irgendwie weniger persönlich,
kälter. Als die Elfen sich als solche zu erkennen gaben hatte er
unter ihren Mänteln Schwerter an ihren Gürteln hängen sehen, also
brachte ihn ein Dolch nicht sonderlich weit, zumindest wenn er die
Elfen nicht im Schlaf überraschen konnte.
Missbilligend sah sich
Cocan in der Ruine um, kurz darauf fand er wonach er suchte. Ein
Stab, etwa so lang wie er groß war. Flink band er den Dolch mit den
Resten seiner ehemaligen Fesslen am oberen Ende des Stabes fest. Kein
besonders schöner Speer, jedoch durchaus zweckmäßig. Aber wenn
alles optimal vonstatten gehen würde, würde er ihn ohnehin nicht
brauchen.
Es schien dunkel geworden
zu sein. In den ärmlichen Resten der ebenso ärmlichen Hütte war
nicht festzustellen gewesen ob es draußen nun Tag oder Nacht war.
Also Nacht, wenigstens etwas lief nicht so schlecht wie möglich. Die
Elfen hatten ihm zwar all seine Waffen und die paar Rüstungsplatten
abgenommen, allerdings hatten sie ihm wenigstens die Lederrüstung
und die Überkleidung gelassen. Also dann, irgendwo mussten die Drei
ja sein.
Cocan sah sich vorsichtig
um. Nichts. Der Ausgang der Hütte zeigte in Richtung des Waldes,
überhaupt war er sehr nah am Waldrand. Er hätte einfach abhauen
können. Aber nur mit einem improvisierten Speer, vermutlich verfolgt
von drei Elfen durch ein von Banditen, Gesocks und Menschhändlern
verseuchtes Gebiet zu fliehen war auch nicht grade das was Cocan sich
unter einem idealem Zeitvertreib vorstellte.
Er beschloss, dass er
lange genug gezögert hatte und machte sich auf den Weg um seine
Ausrüstung zu finden. Ohne das geringste Geräusch begann er um das
Haus herum zu schleichen. An der Ecke hielt er kurz inne.
Vorsichtig schob Cocan
seinen Kopf nach vorne und spähte in Richtung seines geplanten
Weges. Was er sah verpasste seiner gerade besser gewordenen Laune
schon wieder einen Dämpfer. Keine zwei Meter entfernt waren seine
drei Enführer, zwei saßen, einer stand. Alle mit dem Rücken zu
ihm.
Cocan atmete langsam und
tief ein. Dann sprang er um die Ecke, schlug dem Stehenden die Beine
unter dem Körper weg und traf mit der selben Bewegung einen der
sitzenden Elfen am Kopf. Während der erste schon fiel, trat Cocan
ihm schwungvoll vor den Kopf. Blieb noch einer. Dieser hatte sich
mittlerweile erhoben und sein Schwert auf Cocan gerichtet. Doch
erstaunlicherweise kam auch bei ihm bereits der zweite Angriff im
Ziel an. Er rammte ihm den Speer in das vorgeschobene Bein, danach
schlug er dem Elf das Ende des Schafts gegen die Schläfe.
Grade als Cocan davon
überzeugt war seine Suche fortsetzen zu können, hörte er leises,
höhnisches Gelächter hinter sich, vielleicht zwanzig,
fünfundzwanzig Meter entfernt.
Er drehte sich um. Da
standen die drei Elfen, zwei von ihnen die gespannten Bögen auf ihn
gerichtet. Aber wen hatte er dann niedergeschlagen? Er drehte sich
noch einmal kurz um. Da lagen genau die selben drei Elfen die jetzt
auch hinter ihm standen und jederzeit bereit waren ihn mit ihren
Jagdpfeilen am nächsten Baum festzuschießen.
Er wandte sich wieder den
stehenden Elfen zu. "Ich denke wir wissen beide das du den Speer
jetzt weglegen kannst, oder Cocan?", sagte der mittlere Elf
ruhig wärend er zügig auf ihn zuschritt. Cocan dachte eine halbe
Sekunde lang nach, dann ließ er den Speer fallen und entfernte sich
einen Schritt von ihm. "So ist brav." Der Elf war fast bei
ihm angelangt. "Prüfung bestanden, gut gemacht." Nun stand
der Elf genau vor ihm, vielleicht noch dreißig Zentimeter trennten
die beiden voneinander. "Okay okay okay, langsam. Erstmal, wieso
weißt du meinen Namen? Dann, wie kannst du da hinter mir mit
gebrochenem Schädel liegen und gleichzeitig vor mir stehen? Und
zuletzt, wie habe ich denn bitte die Prüfung bestanden, es gab doch
noch garkeine", brach es etwas ungestüm aus Cocan hervor. Der
Elf konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen: "Ich
antworte mal der Reihe nach auf deine Fragen. Also, deinen Namen weiß
ich, weil bei deinen Sachen auch ein Brief ist in dem ein gewisser
Cocan darum gebeten wird doch die Einrichtung des Wirtshauses zu
bezahlen, die er im Suff zerschlagen hat. Das klang irgendwie nach
dir. Dann, ich liege nicht da auf dem Boden. Allerdings muss ich
zugeben, dass es für das ungeübte Auge so scheinen mag." Der
Elf ging auf seinen am Boden liegenden Doppelgänger zu und kniete
neben ihm nieder.
Vorsichtig griff er in
die Brust des regungslosen Körpers. Als er die Hand zurück zog
hielt er ein kleines Steinfigürchen in ihr, der Zwilling zerfiel in
einem Wimpernschlag zu feinem grauen Staub. Das selbe tat er mit den
anderen beiden am Boden liegenden Gestalten. Die drei mattschwarzen
Figuren in einer Tasche seines Mantels verschwinden lassend, wandte
er sich wieder Cocan zu. "Beeindruckend, oder? Mit diesen
kleinen Dingern kann man verdammt echt aussehende Duplikate von so
ziemlich allem und jedem anfertigen. Sie sind nur leider nicht
sonderlich kampfstark, aber man kann ja nicht alles haben." Der
Elf drehte sich um und bedeutete Cocan mit einer laschen Handbewegung
ihm zu folgen. Im gehen fuhr er fort: "Und nun deine letzte
Frage. Die Prüfung war es selbstverständlich zu entkommen. Oder
zumindest dich zu befreien und die drei Sandfiguren hinterrücks zu
überwältigen."
Der Elf war stehen
geblieben. "Da liegen deine Sachen, was wir im Dorf so an
Alkohol und komischem Kraut gefunden haben liegt daneben. Schlaf noch
ein wenig, bei Morgengrauen brechen wir auf."
~
Sein abgewetztes Schwert
als Krücke verwendend schleppte sich ein zerlumpter Krieger auf den
Turm zu. Auf seiner Brustplatte war unter Staub, Schmutz und Blut
noch das Siegel des letzten Königs zu erahnen. Seit nunmehr dreißig
Jahren war der König tot, und einer seiner letzten treuen Heerführer
wankte seinem Ende entgegen.
Kaum am oberen Ende der
Treppe angekommen begann der alte Soldat mit dem blutigen Stumpf
seines Linken Armes das verschwommene Muster auf den Türflügeln
nachzuzeichnen. Das Tor sah aus als wäre es in letzter Zeit öfters
auf diesem Wege geöffnet worden. Die Flügel schwangen knirschend
auf, Körper und Gliedmaßen zerquetschend.
Im Turm stapelten sich
die Leichen. Das Schwert wieder als Stütze benutzend begann der
verkommene Offizier auf den Leichenhügel zu klettern. Nach den
ersten Metern schlossen sich die zwei riesigen Metallplatten wieder
zu einer festen Fläche hinter ihm zusammen, wartend auf den nächsten
blutigen Wegzoll.
Oben auf dem Berg
angekommen hielt der Krieger ein letztes Mal inne. Er dachte zurück
an die Zeiten als noch die hohen Magier von hier aus das Reich
geschützt hatten, und er zu denen gehörte die den Turm selbst
bewachten das ihm kein Schaden geschah. Doch sie hatten alle versagt.
Er schluchzte. Dann schlug er sich den Kopf von den Schultern.
~
"Los, steh auf!"
Cocan schlug die Augen auf. Die drei Elfen standen vor ihm,
augenscheinlich Marschbereit. "Pack deinen Krempel zusammen und
komm in die Füße, wir werden ohnehin länger brauchen, weil wir
dich dabei haben. Wir werden jetzt kurz die nähere Umgebung
erkunden, wenn wir zurück sind geht es los."
Cocan packte seine Sachen
zusammen, nicht mit großer Eile, aber auch ohne zu trödeln. Als er
damit fertig war begann er die Pfeife zu stopfen. Er steckte den
Krautbeutel zurück in sein Bündel, setzte sich auf den Rest einer
Mauer und begann genüsslich an der Pfeife zu paffen bis sie richtig
brannte und streckte sich.
Eine Weile verging, Cocan
hatte mittlerweile die Pfeife das dritte Mal gestopft und begann mit
dem Gedanken zu spielen den Wein den die Elfen gefunden hatten
anzubrechen. Die Elfen. Sie waren schon lange weg. Zu lange. Er
wollte gerade die Pfeife ausklopfen, da sah er am Waldrand eine graue
Gestalt auftauchen. Endlich, sie schienen wieder zu kommen. Auf diese
Entfernung war es Cocan unmöglich festzustellen welcher der drei es
war, selbst wenn sie vor ihm standen war es schwer. Wer auch immer es
war, er schien zu rennen. Cocan stellte sich auf den Mauerrest und
strengte seine Augen an. Selbst auf diese Entfernung erkannte er das
etwas nicht stimmen konnte. Der Elf bewegte sich viel zu plump und
grob für einen seiner Art. Und er blickte sich immer wieder um.
Cocan sprang von der Mauer, schnallte seinen Waffengurt um und griff
nach seinem Bogen. Noch einmal würde er nicht unterliegen. Nicht
hier. Nicht heute.
~
"Dann sind sie seit
gestern unterwegs?" Die Stimme schallte dumpf durch den
staubigen, grauen Saal, ehemals wohl Sitz eines Fürsten oder Königs.
Vor langer Zeit. Aus dem Schatten der Säulen, welche den Weg zu
Thronpodest flankierten, trat eine dunkle, nur entfernt menschlich
anmutende Kreatur. Dunkler Nebel umwob sie. Sie antwortete in
Richtung des in völliger Dunkelheit liegenden Podests: "Ja
Herr. Und sie sind schnell."
~
Cocan legte einen Pfeil
auf die Sehne und begann in Richtung des Elfen zu rennen, immer
Deckung hinter den verbliebenen Ruinen suchend. Als er den Rand des
Dorfes erreichte richtete er sich kurz auf und blickte im Laufen um.
Dann duckte er sich und begann so schnell er konnte auf seinen neuen
Weggefährten zu zurennen. Sie trafen in einer kleinen Senke, nicht
weit vom Dorf entfernt auf einander. Der Elf blutete unverkennbar,
ein großer rote Fleck breitete sich mit rasendem Tempo auf der
grauen Robe aus. Er packte Cocan und riss ihn zu Boden. "Wir
sind in einen Hinterhalt geraten, sie scheinen auf uns gewartet zu
haben. Hätten wir mehr Zeit würde ich mich fragen wieso. Wir
müssen..." Der Elf, den Cocan nun als den Anführer der kleinen
Gruppe erkannte, brach mitten im Satz ab und begann Blut zu husten.
Zahlreiche Stiche und Schläge schienen seinen Körper getroffen zu
haben, zu viele als das ein Mensch sie hätte überleben können.
Doch auch ein Elf kam in einem solchen Zustand an seine Grenzen, das
konnte Cocan deutlich erkennen. Um so mehr beeindruckte ihn mit
welcher Geschwindigkeit er noch gerannt war. Mit deutlich brüchigerer
Stimme als zuvor begann der Elf wieder zu sprechen: "Vergiss das
wir. Du musst fliehen. Wir sind auf Banditen gestoßen, wenn sie dich
kriegen werden sie dich entweder töten oder verschleppen."
Cocan hielt inne. Eine
Sekunde verstrich, eine zweite verstrich. Dann handelte er schnell.
Er griff in sein Bündel und zog eine flache Ledertasche hervor. Er
knöpfte den oberen Teil der Robe des Elfen auf und zerriss das Hemd
darunter kurzerhand. Mit flinken Fingern öffnete er die Tasche und
entnahm eine lange, schmale Zange. Das zerrissene Hemd als Lappen
verwendend tupfte er das Blut von einem der kleineren Löcher und
begann mit der Zange in der Wunde zu bohren. Der Elf verzog zwar ein
wenig das Gesicht, zeigte sonst jedoch keine Reaktion. Cocan zog die
Zange zurück. In ihr klemmte eine abgebrochene Pfeilspitze. Er griff
nach einem kleinen Fläschchen das sich zwischen vielen anderen in
der Ledertasche befand und gab ein paar Tropfen auf die Wunde. Dann
machte er sich an den nächsten Einschuss. Während dessen begann er
dem Elf hastig Fragen zu stellen. "Was ist mit den anderen
Beiden? Wo sind sie? Wie geht es ihnen?" "Zuletzt sah ich
sie auf dem Boden liegen, umringt von Banditen. Ich habe wenig
Hoffnung für sie." Er zog erneut das Gesicht zusammen als Cocan
eine weitere Pfeilspitze entfernte. Die Zange wieder im blutenden
Oberkörper des Elfen versenkend fuhr er fort zu fragen: "Wie
viele sind es? Was haben sie für Waffen? Los schnell, wir haben
nicht viel Zeit bis sie hier sind." Scheinbar beunruhigt über
das reißende Geräusch, das sein Körper unter Cocans Behandlung von
sich gab antwortete er: "Ich habe zwölf gezählt, es sind
jedoch höchstens siebzehn. Die meisten tragen Schwerter, ein paar
haben Äxte, zwei hatten einen Bogen."
Mittlerweile hatte Cocan
alle Pfeilreste und sonstigen Splitter entfernt und begann nun alle
noch unbehandelten Wunden mit der Flüssigkeit aus der kleinen
Flasche zu beträufeln. Als er fertig war knöpfte er die Robe des
Elfen wieder zu, steckte das Fläschchen zurück und zog ein anderes
hervor. "Trink das", sagte er in einem Ton der nur wenig
Widerspruch duldete. Der Verwundete kam dem Befehl nach und leerte
das Fläschchen in einem Zug. Das leere Fläschchen wieder verstauend
erkundigte sich Cocan: "Wie ist überhaupt dein Name?" Der
Elf richtete sich ein wenig auf und brachte so etwas ähnliches wie
ein Lächeln zu stande: "Nenn mich Talebran, mein ganzer Name
ist für Menschen ein wenig zu lang zum merken. Aber jetzt zurück zu
wichtigeren Dingen: Was hast du da auf mich geschüttet? Und was
sollte das andere grauenvoll schmeckende Zeug bewirken?" "Diese
Tränke habe ich bei einer Kräuterfrau abgegriffen die der Meinung
war sie müsse an mir neue Elexiere testen. Auch wenn ich bis jetzt
nicht in der Lage war sie nachzumischen haben sie sich schon das ein
oder andere Mal als relativ nützlich erwiesen", erwiderte
Cocan, nicht ohne ein gewisses Maß an Selbstzufriedenheit. "Also",
fuhr er fort , "wie geht es jetzt weiter? Hast du einen
bestimmten Plan oder machen wir uns einfach auf den Weg?"
Der Elf lächelte und
griff in eine Tasche seiner Robe. Zum Vorschein kamen viele der
kleinen, schwarzen Figürchen, gegen deren Illusionen Cocan am
Vorabend selbst noch gekämpft hatte. Mit leiser Stimme flüsterte
Talebran auf die Figuren ein. Dann warf er sie in Richtung Wald. Noch
im Flug nahmen sie die Gestalt großer, schlanker Elfen an. Sie
liefen mit irrsinniger Geschwindigkeit auf den Waldrand zu, gleich
würden sie ihn erreicht haben.
"Was soll das? Sogar
ich habe drei von denen nieder gemacht, da werden die sieben die du
geschickt hast nicht lange durchhalten." Cocan war ein wenig
perplex. Das musste der Elf doch auch so wissen, ohne das er es extra
nochmal erwähnen musste. Talebran setzte sich auf. Dann begab er
sich in eine eher kniende Position und begann zu überprüfen was ihm
noch an Waffen geblieben war. Während dessen klärte er Cocan über
seine Pläne auf: "Die sollen nicht kämpfen, dafür sind sie
nicht gemacht. Sie sollen sich einfach nur verteilen und die
Aufmerksamkeit auf sich ziehen während wir einen nach dem anderen
ausschalten. Achja, dieses Kräuterzeug hat in der Tat geholfen, du
solltest darauf acht geben." Der Elf erhob sich begann leicht
geduckt los zu rennen. "Komm", rief er Cocan noch zu. Nach
vielleicht zwei Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht. Sie waren am
Waldrand, allerdings fast eine viertel Meile weiter links als da, wo
die Puppenkrieger in den Wald eingedrungen waren. Cocan fühlte sich
als würde er seine Lunge bei jedem Atemzug mit aus- und wieder
einatmen. Elendes Kraut. Und elender Elf. Wie kann jemand nur so
schnell rennen ohne auch nur schneller zu atmen? Talebran packte
Cocan an der Schulter und zog ihn wortlos mit sich tiefer in den Wald
hinein, bis sie an den Rand einer kleinen Lichtung kamen.
Was sie sahen war
grauenvoll. Die beiden anderen Elfen hingen an ein Gestell gefesselt,
überall am Körper zahlreiche Schnitte und Stiche verteilt. Auch
schien es als seien mehrere Finger bei jedem der beiden amputiert
worden. Offensichtlich waren sie zu Tode gefoltert worden. Talebran
verzog das Gesicht, zog sein Schwert und blickte zu Cocan: "Wir
werden Rache üben. Komm!" In seiner Stimme war etwas das
keinerlei Widerspruch duldete, also beeilte sich Cocan ebenfalls nach
seinen Waffen zu greifen. Die meisten der Banditen schienen die
Puppenkrieger zu jagen, auf der Lichtung waren noch drei. Die beiden
traten zwischen den Bäumen hervor. Nach wenigen Sekunden waren es
drei Banditen weniger. "Jetzt gehen wir auf die Jagd",
sagte der Elf mit kalter Stimme und nahm den Bogen vom Rücken. Cocan
tat es ihm nach. Seite an Seite verließen beide die Lichtung, in
Richtung der übrigen Banditen.
Mehrere Stunden waren
vergangen seit Cocan und Talebran sich auf die Jagd gemacht hatten.
Nun standen sie wieder auf der Lichtung, Talebran verstaute gerade
die letzten der kleinen, schwarzen Figuren in einer seiner Taschen.
Sie hatten in den Wäldern noch elf weitere Banditen zur Strecke
gebracht, wenn noch welche übrig waren konnte man daran auch nicht
viel ändern.
"Lass uns zum Dorf
zurückkehren", presste der Elf mit einer Stimme hervor als wäre
er kurz vor den Tränen. Offenbar hatten ihm seine Weggefährten viel
bedeutet. Auf Cocans fragenden Blick antwortete Talebran: "Einer
von ihnen war mein jüngerer Bruder. Geh du schon einmal vor, ich
werde ihre Leichen noch in Brand stecken, damit sich kein Tier an
ihnen vergeht."
Im Dorf angelangt packte
Cocan all seine Sachen wieder zusammen und verstaute das Bündel mit
den Tränken, das er unterwegs wieder aufgelesen hatte, in dem
unförmigen Klumpen aus Lappen, Bündeln und Gurten. Vom Wald sah er
eine dünne Rauchsäule aufsteigen. Talebran müsste gleich kommen.
Cocan setzte sich auf sein Bündel und stopfte die Pfeife. Am
Waldrand erkannte er den Elf. Diesmal schritt er langsam und gefasst
auf die Ruinen des Dorfes zu.
~
Die Bäume, lange waren
sie schon so tot wie der Boden auf dem sie standen, warfen dunkle,
scharfe Schatten. Auf einem kaum erkennbaren Pfad schritt gelassen
ein alter Mann, in eine zerlumpte Robe gekleidet, auf den trüben
Sonnenaufgang zu. Durch Staub und Nebel drang nicht viel vom Licht
der Sonne, doch allmählich erkannte er am Horizont dem gezackten
Umriss eines ehemals prächtigen Turmes, doch nun schon lange eine
Ruine. Sich auf seinen Stab stützend, hielt er kurz inne. Dann
setzte er seinen Weg fort.
~
Sie waren nun schon seit
zwei Tagen unterwegs. Seit sie vom Dorf aus aufgebrochen waren hatte
der Elf kein Wort mehr gesagt. Doch Cocan störte das nicht
sonderlich. Wenn Talebran den Tod seines Bruders verwunden hätte
würde er schon wieder reden. Und bis dahin würde Cocan eben die
Ruhe genießen. Wenn sie ihr Tempo bei behielten würden sie in etwa
einer Woche auf eine Stadt treffen, so zeigte es zumindest die Karte
die Talebran ihm zugesteckt hatte.
~
Als Celvos erwachte
brauchte er einen kurzen Moment um sich zu erinnern was geschehen
war. Er war mit Talebran und Selvios in den Wald gegangen um die
nähere Umgebung zu erkunden. Dann war alles ganz schnell gegangen.
Selvios hatte drei Pfeile direkt in der Brust stecken gehabt als er
einfach umfiel. Talebran hatte versucht durch den Ring, den die
Banditen um sie gezogen hatten, zu brechen, doch musste dabei viele
Treffer, sowohl von Bögen als auch von Schwertern einstecken. Ihm
selbst schien es noch am besten ergangen zu sein. Er hatte sofort
einen Rauchbeutel geworfen, einen Doppelgänger von sich geschaffen
und war einen kleinen Abhang herunter gesprungen. Dummerweise war er
mit dem Kopf auf einem Stein gelandet. Dennoch, vermutlich war er der
einzige Überlebende.
Aber vielleicht waren
Talebran und der junge Mensch noch am Leben, irgendwo verletzt vor
sich hin sterbend. Oder in Gefangenschaft der Banditen.
Mühsam setzte er sich
auf. Vermutlich gab es auf einer Lichtung in der Nähe ein Lager oder
etwas ähnliches. Flink kletterte Celvos auf einen Baum. Sein Bruder
hatte ihn einst gelehrt wie man kletterte, doch bereits nach kurzer
Zeit hatte er ihn übertroffen. An der Spitze des Baumes angelangt
blickte er sich um. Etwa eine Meile eintfernt stieg Rauch auf. Dort
würde er nachsehen. Elegant sprang der schlanke Elf einfach vom Baum
hinab und landete federnd auf den Füßen.
Wenige Minuten später
hatte er den Rand der Lichtung erreicht. Hinter einem Gebüsch
verborgen begann er sich einen Überblick zu verschaffen. Es waren
mehr Banditen als die, von denen sie angegriffen worden waren. Etwa
vierzig zählte er auf den ersten Blick. Ganz in seiner Nähe lag ein
Aschehaufen. Beim näheren Betrachten erkannte er die Überreste von
seinem Doppelgänger und Selvios. Auf der Lichtung tat sich etwas.
Aus dem Schatten der Bäume trat eine vermummte Gestalt. Mit einer
krächzenden Stimme die in den Ohren schmerzte fragte sie: "Habt
ihr sie? Oder wenigstens den Jungen?" Einer der Banditen,
augenscheinlich der Anführer, kniete vor dem Vermummten nieder und
begann zu beteuern: "Wir wissen nicht wie er entkommen konnte.
Vierzehn meiner Männer sind tot, viele sind vermisst. Aber wir haben
zwei der Elfen getötet." Zunächst geschah nichts. Dann zog die
dunkle Gestalt zwei schmale, schwarze Schwerter hervor. Wenige
Sekunden später waren alle auf der Lichtung tot.
Celvos lief ein kalter
Schauer über den Rücken. Was er eben gesehen hatte war
beeindruckend und furchteinflößend zugleich gewesen. Nicht einmal
er konnte sich so schnell bewegen. Da sprang auf der anderen Seite
der Lichtung jemand in grauer Robe aus dem Gebüsch. Etwas wie
brennende Seile kam aus seinen Händen. Selvios! Offenbar hatte auch
er es irgendwann geschafft die Plätze mit einem der Puppenkrieger zu
tauschen.
Die Seile aus Selvios'
Händen begannen sich um die dunkle Gestalt zu winden. Celvos sprang
hervor, fest entschlossen dem Gefährten beizustehen. Er zog sein
Schwert und fuhr mit den Fingern der linken Hand über die Klinge.
Sie fing Feuer. Mit brennendem Schwert begann er auf die Kreatur
einzuprügeln. Selvios warf ihm einen erleichterten Blick zu.
Als sie ihn schließlich
niedergerungen hatten fesselte Selvios den Unbekannten mit seinen
magischen, brennenden Seilen. Vorsichtig, die Spitze seines Schwertes
benutzend, zog Celvos der Gestalt die Karpuze ab. Was sich zeigte war
schrecklich und widerwärtig. Das Gesicht war eingefallen, so als
hätte man einen Totenschädel mit Haut bezogen. Die Augen lagen tief
in den Höhlen und waren komplett schwarz. Außerdem war der Fremde
über und über von kleinen, bläulich-schwarzen Käfern bedeckt,
sodass man weder viel von der Haut sah, noch durch das Gewusel der
kleinen Tiere irgendwelche Gesichtszüge hätte erkennen können.
"Wer bist du? Was
tust du hier?" Selvios Stimme war hart und befehlend. Doch die
Kreatur begann nur schaurig zu lachen. Die Käfer begannen schneller
übereinander zu krabbeln. Einige begannen sich in die blasse,
ledrige Haut zu bohren. Nach wenigen Sekunden war nur noch ein
Gerippe in der dunklen Kutte, die Käfer jedoch entfernten sich
schnell über den Waldboden, alle gen Osten.
"Nun, da kann man
wohl nichts machen", bemerkte Selvios gelassen. "Lass uns
zur nächsten Stadt gehen. Wenn wir uns beeilen sind wir in drei
Tagen da." Die beiden Elfen brachen auf.
Etwa vier Tage waren
vergangen, seit Selvios und Celvos von der Lichtung aufgebrochen
waren. Nun graute der Morgen hinter den Wipfeln des weit entfernten
Waldrandes auf der anderen Seite des breiten Tals. Vor ihnen lag eine
riesige Stadt. Hier konnte man alles kaufen, wenn man nur ausreichend
Geld mitbrachte. Auch die Banditen aus den umliegenden Gegenden kamen
in regelmäßigen Abständen hierher, um den Krempel und die
Wertsachen, die sie den Reisenden abgenommen hatten, gewinnbringend
loszuwerden.
Die Stadt stank nur so
nach Verbrechen und Sünde, aber innerhalb der Mauern hatte man, wenn
man die anderen Leute in Ruhe ließ und keine all zu leichte Beute
abgab, eigentlich nicht viel zu befürchten. Durch die Nebelschwaden,
die noch um die Bäume und Sträucher waberten näherten sich die
Beiden der Stadt.
~
Etwa zur selben Zeit
erwachten Cocan und Talebran. Auch wenn die Reise beschwerlicher war
als sie erwartet hatten, so hatten sie sich doch in den letzten vier
Tagen gut erholt, und auch eine starke Freundschaft entwickelt. Cocan
traute dem Elfen jetzt schon mehr als jedem Menschen den er kannte.
Auch Talebran empfand starken Respekt für den jungen, noch so naiven
Menschling. Immerhin hatte er sein Leben riskiert um ihn zu retten,
obwohl er und die anderen Beiden ihn am Vorabend noch gefesselt in
einer Ruine hatten sitzen lassen.
Bis jetzt hatten sie
nicht viel geredet, höchstens mal ein paar Worte gewechselt. Sie
packen ihre Bündel zusammen und brachen erneut Richtung Sonne auf,
wie schon die Tage zuvor.
Als die Sonne am höchsten
stand, machten sie Rast und der Elf begann ein kleines Feuer zu
entzünden, während Cocan nach einem Hasen oder etwas ähnlichem
Ausschau hielt.
Für einen Menschen hatte
er außergewöhnlich scharfe Augen, in der Ferne, vielleicht hundert
Meter entfernt sah er was er suchte. Er hob den Bogen und legte einen
von den Pfeilen, die er und Talebran aus dem Banditenlager
mitgenommen hatten, auf die Sehne. Er zog langsam und gleichmäßig
bis zum Kinn durch, hielt einen Moment inne und schoss.
Er senkte den Bogen und
sah in der Ferne den Pfeil durch das Genick des Kaninchens dringen.
Gemählich schlenderte er los um seine Beute einzusammeln. Als er
zurückkehrte, hatte der Elf bereits ein prasselndes Feuer entfacht.
Mit geübten Fingern begann Cocan den Hasen zu häuten und die
Innereien entfernen. Der Hals war ungewöhnlich muskulös, also zog
er eines seines Schwerter und schlug ihn kurzerhand ab. Talebran
blickte vom Feuer auf und schaute auf die schlanke, leicht gebogene
Klinge in Cocans Hand, über die langsam das Blut des kleinen Tieres
lief. Er schien kurz noch die Augen anzustrengen, dann wandte er sich
wieder dem Feuer zu.
Nachdem sie gegessen
hatten setzten sie ihren Weg fort. Doch irgend etwas war anders. Der
Elf schien seinen Begleiter immer dann zu mustern wenn dieser es
gerade nicht zu bemerken schien, auch fiel sein Blick oft auf die
Schwerter die nebeneinander am Gürtel hingen. Doch auch wenn er
abwesend und verträumt schien, Cocan entgingen die verstohlenen
Blicke des Elfen nicht, als er begann darauf zu achten fiel es ihm
noch öfter auf.
Der Abend nahte. Wieder
das selbe Spiel. Sachen ablegen, der Elf begann ein Feuer zu
entzünden, Cocan suchte ein Tier. Als sie beide gemächlich neben
den wärmenden Flammen saßen und ihren Teil des Wildhuhns das Cocan
geschossen hatte aßen begann Talebran das erste Mal von sich aus ein
Gespräch: "Wie kommt es eigentlich, dass du in deinem Alter
schon durch die Welt streifst, noch dazu besser gerüstet als viele
Krieger deiner Rasse auf der Höhe ihrer Kraft und ihres
Wohlstandes?" Das war es also. Der Elf wollte wissen wo Cocan
seine, zugegebenermaßen hervorragenden, Schwerter hatte. Er
schluckte den Rest Fleisch den er im Mund hatte herunter und begann
zu erzählen: "Meine Eltern starben als ich grade zwei Sommer
alt war. Unser Haus stand ein wenig abseits vom Dorf, auf einer
kleinen Lichtung. Ich war im Dorf um mit den anderen Kindern zu
spielen, die große Schwester eines Spielgefährten gab auf uns acht.
Sie schien ein wenig die Zeit vergessen zu haben, jedenfalls machte
sie sich erst mit mir auf den Weg zu mir nach Hause, als die Sonne
schon längst untergegangen war. Ich erinnere mich noch genau daran
das ich ein seltsames, orangenes Licht von dort her kommen sah wo
unser Haus sein musste. Als wir auf der Lichtung ankamen sah ich
gerade meine Mutter, brennend, genau wie die Hütte hinter ihr aus
der Tür fallen, in der Hand ein dickes Lederbündel das sie der
hysterisch schreienden Aufpasserin zuwarf. Dann zeigte sie mit
zitterndem Finger und letzter Kraft auf eine vermummte Gestalt am
Rand der Lichtung. Selena, so hieß die große Schwester des besten
Freundes den ich damals hatte, packte mich und das Bündel und rannte
Richtung Dorf. Über ihre Schultern blickend sah ich die schwarze
Erscheinung hinter uns her kommen, da brach mein Vater, ebenfalls mit
letzter Kraft und vom Feuer gezeichnet, mit einer schweren Kriegsaxt
in der Hand durch die brennende Wand des Hauses.
Ein paar Wochen wohnte
ich bei der Familie meines Freundes und seiner Schwester. Etwa eine
Woche nach dem Feuer wurden meine Eltern auf der Lichtung bestattet,
gerade da wo unser Haus gestanden hatte." Cocan machte eine
Pause. Er hatte sichtlich mit den Tränen zu kämpfen, versuchte
jedoch es zu überspielen. Er nahm einen großen Schluck Met aus der
ledernen Flasche die neben ihm lag, zog einen brennenden Scheit aus
dem Feuer und entzündete damit seine Pfeife. Mit leicht zittriger
Stimme fuhr er fort: "Nach einem weiteren Monat wurde ich von
meiner Tante und meinem Onkel abgeholt. Als ich abgeholt wurde sah
ich das Lederbündel das erste Mal bei Tageslicht, als mein Onkel es
entgegen nahm. Es waren viele kleine Schriftzeichen in das
verwitterte Leder gebrannt. An viel mehr aus dieser Zeit erinnere ich
mich auch nicht mehr.
Auf jeden Fall wuchs ich
ab da bei meiner Tante und meinem Onkel auf. Bis vor etwa zwei
Monaten. Ich war gerade im Wald um ein paar Pilze, Beeren und wildes
Kraut zu ernten, als es eigentlich Essen geben sollte. Doch meine
Ersatzeltern hatten sich längst daran gewöhnt das ich öfters mal
länger weg war, so lange ich irgendwann im Laufe der Nacht den Weg
in mein Bett fand, waren sie zufrieden. Es dämmerte schon der Abend
als ich Heim kehrte. Ich betrat das Haus und ging sogleich in die
Küche, ich war nämlich relativ hungrig. Ich sah meine Tante
regungslos auf dem Boden liegen. Ich dachte im ersten Moment, dass
sie nur schlafen würde, doch schon im selben Moment wurde mir klar
das sie tot war. Ich begann mich auf die Suche nach meinem Onkel zu
machen. Ich fand ihn in seinem Schlafzimmer, neben dem Bett liegend.
Er war noch bei Bewusstsein. Er zeige auf ein paar locker
erscheinende Bodendielen, dann verließ auch ihn die Kraft. Zunächst
wusste ich weder, was er wollte, noch was ich nun tun sollte. Nach
einigen Stunden ging ich ins nahe gelegene Dorf und begann das
Begräbnis zu veranlassen. Als meine letzten Verwandten auch unter
der Erde waren, begann ich im Haus herum zu streifen. Irgendwo musste
das Lederbündel meiner Eltern sein, dachte ich mir. Da erinnerte ich
mich an den flehenden Blick meines Onkels als er auf die Bodendielen
zeigte." Cocan legte erneute eine Pause ein und stopfte die
Pfeife neu. Der Elf hatte während der ganzen Erzählung nicht einen
Muskel bewegt. Hätte er nicht die Augen offen gehabt hätte man
denken können er würde schlafen.
Cocan nahm einen tiefen
Zug aus der Pfeife und setzte erneut an: "Natürlich fand ich
das Lederbündel unter den Brettern. Die Zeichen auf der Außenseite
waren eine Art Brief. Es schien eine Art Elfenschrift zu sein, ich
habe kaum etwas davon verstanden, vielleicht kannst du es mir nachher
einmal übersetzen. Auf jeden Fall habe ich 'Mondscheinsaal',
'Kristallkrone', 'alte Ordnung' und 'Lethovna' entziffern können. Im
inneren des Bündels war alles was ich nun am Leib trage. Mit
Ausnahme der Flasche und der Pfeife."
Talebran sah ein wenig
aus als hätte er einen starken Schlag auf den Kopf erhalten. "Gib
mir das Lederstück", verlangte er hastig. Cocan war zwar ein
wenig verwundert über die plötzliche, für diesen so untypische
Eile des Elfen, griff aber dennoch unter das Bruststück seiner
Rüstung und zog das Leder hervor. Der Elf riss es ihm förmlich aus
den Händen und begann sofort zu lesen: "Dies Gepäck ist zu
Händen der Nachfahren des letzten Herrschers zur Zeit der alten
Ordnung zu geben, auf das der Nachfolger des Thrones es in der Stadt
der Hoffung, Lethovna erhalte und seinen rechtmäßigen Platz im
Mondscheinsaal unter der Kristallkrone einnehme. Gezeichnet Brogan,
ehemaliger Novize und jetzt letzter Bewahrer des Lebens."
Talebran hielt einen
kurzen Moment inne, dann ging alles rasend schnell: "Wir müssen
hier weg, in die nächste Stadt und von dort weiter nach Lethovna.
Pach deine Sachen, los los los." Die letzten Worte schrie der
Elf fast. Während Cocan die Sachen packte und eilig das Feuer
löschte blickte sich der Elf panisch um. "Das muss schneller
gehen", stieß er hektisch hervor. Er zog einen etwa
fingerlangen Stab aus schwarzem Stein aus seiner Robe hervor und
begann unverständliches Zeug zu murmeln. Schließlich warf er den
Stab vor sich, scheinbar geschwächt. Der Stab verwandelte sich in
ein gigantisches, schwarzes Pferd, die Schulter des Tieres war fast
drei Meter über dem Boden. Der Elf packte Cocan, hob ihn auf das
Pferd, reichte ihm das Gepäck und sprang selbst geschwind auf. Er
flüsterte dem Tier etwas ins Ohr, und sogleich begann es mit
abnormer Geschwindigkeit los zu rennen. Talebran blickte sich um,
Cocan tat es ihm gleich. Die ängstliche Eile des Elfen schien
berechtigt gewesen zu sein, denn hinter ihnen begann eine Schwärze
den Himmel zu überziehen, dunkler als eine Nacht es jemals hätte
sein können. Etwas unvorstellbar böses war hinter ihnen, doch
scheinbar war das gigantische Tier unter ihnen schnell genug um einen
Vorsprung zu erhaschen.
Sie ritten weiter in die
dunkle Nacht, in der Hoffnung Krodosant, die von Banditen und Gesocks
verseuchte Stadt zu erreichen bevor ihr Pferd erschöpft war.
So, das erste Kapitel. Ich gehe fest davon aus, dass es diverse Rechtschreib- und Grammatikfehler darin zu finden gibt, womöglich habe ich auch hier und da ein Wort vergessen. Und falls du zu denen gehörst die sich bis zum Ende des Posts durchgequält haben kannst du den Blog auch ruhig teilen ;-)
AntwortenLöschenGreetings and cookies,
Jan
So, ich habe das erste Kapitel noch mal ein bisschen überarbeitet, beziehungsweise die netten und hilfreichen Ratschläge beherzigt die mir gegeben wurden. Zweites Kapites ist schon intensiv in Arbeit :)
AntwortenLöschen