Montag, 29. September 2014

Die Chroniken der Gemeinen - Aufbruch, Kapitel 1


Aufbruch

Kapitel 1

Leichen. Überall Leichen. Halb verrottete Leichen. Und sie bewegten sich alle gradewegs auf ihn zu. Verzweifelt schlug Cocan mit letzter Kraft, längst nur noch mit einem Schwert bewaffnet, nach den ihn erreichenden Untoten. Es waren zu viele, die Ersten hatten sich in seinen Armen und Beinen verbissen und begannen an ihm zu zerren.
Cocans Sichtfeld schrumpfte immer mehr, alles begann schwarz und kalt zu werden. Das Letzte was er spürte war der Schmerz seiner reißenden Sehnen und Muskeln.

Cocan erwachte schweißgebadet. Sofort sprang er auf, den Dolch der immer im Schlaf neben ihm lag bereit zum Stoß. Erleichtert realisierte er, dass er allein im Wald war, die Sonne begann gerade aufzugehen. Wütend schleuderte Cocan den Dolch in Richtung eines Baumes und trat gegen eines seiner umherliegenden Bündel.
Das war nun die elfte Nacht in Folge in der er den selben Traum hatte. Jedesmal war er am Ende gestorben. Während das weg getretene Knäul aus Kleidungsstücken und Bogensehnen noch im Flug in Richtung der jungen Sonne war, drehte sich Cocan um und griff nach der ledernen Flasche die von einem der Äste baumelte. Sein letzter Met. Wenn er nicht bald in die Nähe eines Dorfes kam würde der Rest der Reise deutlich weniger Spaß machen als es ohnehin schon der Fall war. Nicht zuletzt, da seit ungefähr zwei Wochen sein Wüstenkraut aufgebraucht war und er sich mit widerlichem, schlicht "Kraut" genannten Zeug zufrieden geben musste was er einigen Orks abgenommen hatte.
Seufzend begann Cocan seine verstreuten Habseligkeiten aufzusammeln. Das Ende der Reise war noch nicht in Sicht, aber die Reise würde auf jeden Fall beschwerlich werden, soviel wusste er. Nachdem Cocan seine Sachen so gut es ging verpackt hatte ging er noch einmal alles durch. Die schwarze Lederrüstung, darüber eine schwarze Leinentoga. Versilberte Stahlplatten an den Unterarmen und Schienbeinen. Beide Schwerter links am Gürtel. Ein Dolch hinten am Gürtel, durch den Mantel verdeckt. Das Wurfbeil rechts am Gürtel. Der Bogen und ein Köcher voll verschiedener Pfeile über der Schulter, links neben dem großen Bündel auf seinem Rücken, halb verdeckt von einem kleinen Eichenschild. Die Lederflasche mit dem letzten Met in der rechten Hand, die Pfeife, gestopft mit ekelhaftem Ork-Kraut in der Linken. Er konnte aufbrechen.

~

Viele Meilen entfernt, fernab von Tag und Nacht wo die Welt immer im Zwielicht der Dämmerung lag stieg ein alter Mann die Stufen zu einem schlanken, schwarzen Turm hinauf. Auf der drittletzten Stufe hielt er kurz inne, wie um für den Rest der Treppe Kraft zu sammeln. Er nahm die letzten drei Stufen mit einem einzigen, großen Schritt. Dunkel schimmerte die alte Tür aus dem schweren, schwarzen Metall vor seinen Augen.
Verschwommen konnte er sich dabei beobachten wie er langsam das Messer, welches aus dem selben Material zu sein schien wie die Tür vor der er stand zur Hand nahm und langsam seinen linken Unterarm der Länge nach aufschlitzte. Ruhig wischte er die blutige Klinge an seinem fleckigen Kittel ab und tat sie an ihren Platz zurück.
Mit größter Sorgfalt begann er mit seinem Blut einen Kreis auf die Tür zu malen. Nachdem der alte Mann den Kreis beendet hatte brachte er auf der Innenseite in regelmäßigem Abstand unleserliche Runen an. Wieder hielt er kurz inne, dann drückte er seine blutige Hand in die Mitte des Kreises. Die Tür öffnete sich, und der Alte trat ein.
Donnernd knallten die Flügel des Tores hinter im zusammen, trotz des Alters mit einer solchen Präzision das nicht der kleinste Strahl des grauen Lichts durch sie hindurch drang. Doch das war auch gar nicht notwendig, denn dort wo wohl ehemals das vierte Stockwerk gewesen sein mochte war der Turm einfach zersplittert als hätte ein Riese den oberen Teil einfach abgebrochen. Im Halbdunkel schaute der Greis sich um, wobei sein Blick auf den toten Körper vor im fiel der ihn höhnisch anzugrinsen schien.
Er hielt kurz inne, so als hätte er einen kurzen Blick in seine Zukunft erhascht. Wieder nahm er das Messer vom Gürtel. Mit der selben Ruhe wie zuvor führte den Stahl an seine Kehle. Langsam, aber bestimmt und gleichmäßig zog er die Klinge von links nach rechts. Er sank auf die Knie. Er spürte wie das Blut warm über seinen Körper lief und seine Sinne zu schwinden begannen. Sein letzter Gedanke war was wohl sein König sagen würde, wenn er wüsste was aus ihm geworden war, dem letzten Bewahrer des Lebens.

~


Dreck. Mittlerweile waren drei eintönige Tage vergangen und sowohl der Met, als auch das Ork-Kraut waren restlos aufgebraucht. Wenigstens schien es als würde vor ihm ein Dorf liegen, jedenfalls konnte Cocan Rauch am Horizont erkennen. Wenn er Glück hatte gab es einen Tempel der Bewahrer, vielleicht sogar ein Gasthaus.
Denn obwohl die Mönche in den Bewahrertempeln jeden Reisenden aufnehmen mussten, so war es ihm lieber nicht auf einer steinernen Platte zu schlafen und zum Frühstück Früchtebrot und Saft hinunterwürgen zu müssen. Bis er im Dorf ankäme würde es zwar schon Mittag sein, aber eben erst Mittag, also mehr als genug Zeit um einen erträglichen Schlafplatz zu finden. Vielleicht gab es ja ein paar einsame Töchter in seinem Alter im Dorf, die gerne ihr Bett mit einem Abenteurer kurz vor seinem zwanzigsten Sommer teilen würden. Einen Streifen Fleisch aus dem Bündel auf seinem Rücken ziehend ging Cocan weiter.

Na toll. In der letzten halben Stunde hatte Cocan sich schon gewundert was zur Hölle denn bitte so stank. Jetzt wusste er es, und ganz nebenbei hatte sich die Sache mit dem Dorf auch mehr oder weniger erledigt. Denn das Dorf war es, was so bestialisch nach brennendem Fleisch stank, was auch ganz natürlich für ein frisch abgebranntes Dorf ist.
Trotzdem war Cocan nicht grade glücklich darüber, dass er nun noch länger ohne Kraut und Met leben musste. Ach was, Met, er wäre ja schon mir Bier zufrieden gewesen. Aber nein, diese elenden Trottel mussten sich ja natürlich gerade jetzt mitsamt ihrem verdammten Dorf abfackeln lassen, dabei hätte es niemandem geschadet wenn das Dorf erst nach seiner Abreise verwüstet und zerstört worden wäre.
Mit deutlich getrübter Laune schlenderte Cocan durch die von Asche bedeckten Straßen. Er wollte das Dorf schon wieder verlassen, da hörte er hinter sich ein leises Knirschen, wie wenn man auf groben Kies tritt. Langsam drehte er sich um. Cocan sah gerade noch das etwas auf ihn zuflog, da riss es ihn schon von den Füßen. Noch bevor er auf dem Boden aufschlug war er bewusstlos. Wäre er nur noch ein paar Sekunden länger bei Bewusstsein geblieben hätte er die vermummten Gestalten bemerkt die auf ihn zukamen.

"Bindet mich los, verdammt noch mal!" Cocan schrie mit einer Stimme und in einer Lautstärke das jeder Mensch der nicht tot oder ebenfalls gefesselt wäre ihn umgehend befreit hätte, nur um zu verhindern das er noch zorniger würde.
Doch die drei Vermummten in den grauen Mänteln schienen reichlich unbeeindruckt. "Schrei nicht so, das macht die Singstimme kaputt", sagte der in der Mitte stehende mit leichtem Hohn in der Stimme. "So jung und schon so verdorben. Erst Dörfer abbrennen und dann auch noch rumbrüllen wenn Konsequenzen in Sicht sind", fügte der, der in der rechten Ecke lungerte hinzu.
"Ich habe das beschissene Dorf nicht abgefackelt", presste Cocan, außer Atem vom schreien, mit deutlich ruhigerer Stimme hervor. "Wieso sollten wir dir glauben?", fragte wieder der in der Mitte, der wohl so eine Art Vorgesetzer der anderen beiden zu sein schien. "Du hast mehr als genug Waffen dabei, gute eineinhalb Flaschen Brandbalsam und ein Feuereisen. Und dann bist du auch noch mit einer Selbstverständlichkeit zwischen den verbrannten Leichen von Frauen und Kindern herumgeschlendert als würdest du das jeden Tag tun."
"Ja gut, ich war nicht ganz so mitfühlend wie ich vielleicht hätte sein können, aber ich hatte mich schon seit ein paar Stunden darauf gefreut mal wieder etwas anderes als Wasser zu trinken zu kriegen und mit etwas Glück auch auch einen Beutel Wüstenkraut und 'ne Frau für die Nacht." Die Gestalt in der Mitte begann zu schmunzeln und zog sich die Karpuze aus dem Gesicht. Augenscheinlich ein Elf.
"Die Menschen sind doch immer wieder aufs Neue faszinierend. Noch vor 50 Jahren waren es nur die Alten von ihnen die gesoffen und dieses unglaublich widerwärtige Grünzeug geraucht haben und nur die Spielleute und Narren die in jedem Dorf ein neues Weib hatten. Nun fangen schon die so an die man nur mit viel gutem Willen schon als Männer bezeichnen kann."
Die anderen beiden zogen nun auch die Kapuzen ab. Cocans Laune hatte sich in den letzten Sekunden, sofern das überhaupt noch möglich war, ein weiteres Mal immens verschlechtert. Er hatte zwar noch nie einen Elfen getroffen, aber laut dem was er hier und da aufgeschnappt hatte waren sie allesamt hochnäsige, arrogante Zeitgenossen mit einem unerträglich Sinn für Humor. Sonst wusste er eigentlich nichts über sie, aber er hatte auf keinen Fall vor sich seine Verunsicherung anmerken zu lassen.
"Also, was machen drei Elfen, gekleidet wie alte Nonnen, in einem abgebrannten Dorf? Jetzt mal davon abgesehen das ihr offenbar gerne Reisende irgendwo anbindet und ihr Gepäck durchwühlt." Cocan hoffe das er seine Frage nicht zu provokant gestellt hatte, denn auch wenn er es nich gerne zugab unterlag er der Gnade der drei Elfen.
"Ich mag ihn. Er ist lustig", ließ der Elf der sich bis jetzt noch garnicht zu Wort gemeldet hatte verlauten. "Vielleicht sollten wir ihn mitnehmen, wer weiß wofür wir ihn gebrauchen können", fuhr er fort. Der Anführer gab den anderen beiden ein Zeichen, woraufhin sie ihm in eine dunkle Ecke folgten wo die drei sogleich leise zu diskutieren begannen.
Cocan nutzte die Zeit um sich etwas umzusehen. Offenbar hatten die Elfen ihn in eines der weniger beschädigten Häuser gebracht. Das bedeutete das irgendwo in der Nähe noch seine Ausrüstung liegen musste, und auch das er wusste wie er am schnellsten zur nächsten Stadt käme. Gut, das war jetzt nicht weiter hilfreich, die letzte Stadt auf seiner Reise war etwa einen Monat weit entfernt.
Aber für den unwarscheinlichen Fall, dass er die drei Elfen würde überwältigen können wüsste er immerhin wo er war.
Mittlerweile schienen die Drei ihre Unterhaltung beendet zu haben. Der Anführer kam auf Cocan zu, die anderen Beiden verließen das Gebäude. "Wir werden morgen aufbrechen. Ob du hier angebunden verhungern wirst, oder wir dich mit uns nehmen hängt davon ab ob du zu etwas taugst und wessen Geistes Kind du bist. Bevor wir uns auf den Weg machen werden wir dich prüfen. Bestehst du die Prüfung, so kannst du mit uns kommen. Wir haben sogar in den Ruinen des Dorfes etwas von dem Wüstenkraut gefunden das du so liebst. Bestehst du die Prüfung nicht... nunja", der Elf zog seinen Dolch, "dann solltest du hoffen, dass ich so gnädig bin dir ein schnelles Ende zu bescheren. Ich lass dir den hier, damit du es nicht vergisst.", sprach er im hinausgehen und trieb den Dolch in einen Balken.

~

Vor der Turmruine, in welcher der Greis seinem Leben ein Ende bereitet hatte war mittlerweile eine kleine Gruppe zusammengekommen. Einer stieg gerade die Stufen hinauf und begann das Ritual zu vollziehen, welches die Tür zu öffnen vermochte. Als es abgeschlossen war betrat die ganze Gruppe den Turm. Es war ein bunt zusammengewürfelter Haufen, unter ihnen waren auch Kinder und Frauen die Säuglinge in der Armen hielten.
Sie blickten auf die am Boden liegenden Leichen. Die eines alten Mannes dort in der Mitte des Turmes schien frischer zu seien als die meisten anderen, jedoch war er nicht der letzte gewesen der hier sein Ende gefunden hatte, soviel konnte man sicher feststellen.
Der, der das Tor geöffnet hatte begann durch die Gruppe zu gehen und einem nach dem anderen die Kehle aufzuschlitzen. Bei denen, die Kinder auf dem Arm trugen tötete er erst diese, wohl damit die Mütter im Sterben nicht versehentlich auf ihren noch lebenden Kindern zu liegen kämen, denn auch wenn er nicht zimperlich war zerrte er nicht gerne Tote durch die Gegend.
Als er sich sicher sein konnte das keiner der anderen mehr lebte zerschnitt auch er seine Kehle. Als das Leben aus ihm schwand blickte er ein letztes Mal auf seine Frau und seinen Sohn die er soeben hingerichtet hatte. Eine Träne rollte über seine Wange. Dann starb auch er.

~

Cocan hatte die letzten zwei Stunden damit verbracht seine Handfesseln zu zermürben, da er irgendwie nicht sonderlich große Lust darauf hatte bei der Prüfung eventuell zu versagen. Er ging zwar davon aus, dass er sie bestehen würde, aber man muss sein Glück ja nicht unnötig strapazieren.
Endlich hatte er die rechte Hand frei. Der Rest war fast zu einfach. Die linke Hand aus der Schlaufe ziehen, die Fußfesseln enfernen und aufstehen. Ein kurzer Blick durch den Raum bestätigte seine Annahme, dass seine Besitztümer mit Sicherheit irgendwo waren, nur nicht hier. Also blieb ihm nur der Dolch den der Elf in dem Balken zurückgelassen hatte. Recht betrachtet war das sehr unvorsichtig gewesen, aber das kam Cocan ja im Moment mehr als gelegen.
Ruckartig zog er die schlanke Klinge aus dem verkohlten Holz. Ein schönes Stück, fast besser als sein eigener Dolch, aber irgendwie weniger persönlich, kälter. Als die Elfen sich als solche zu erkennen gaben hatte er unter ihren Mänteln Schwerter an ihren Gürteln hängen sehen, also brachte ihn ein Dolch nicht sonderlich weit, zumindest wenn er die Elfen nicht im Schlaf überraschen konnte.
Missbilligend sah sich Cocan in der Ruine um, kurz darauf fand er wonach er suchte. Ein Stab, etwa so lang wie er groß war. Flink band er den Dolch mit den Resten seiner ehemaligen Fesslen am oberen Ende des Stabes fest. Kein besonders schöner Speer, jedoch durchaus zweckmäßig. Aber wenn alles optimal vonstatten gehen würde, würde er ihn ohnehin nicht brauchen.
Es schien dunkel geworden zu sein. In den ärmlichen Resten der ebenso ärmlichen Hütte war nicht festzustellen gewesen ob es draußen nun Tag oder Nacht war. Also Nacht, wenigstens etwas lief nicht so schlecht wie möglich. Die Elfen hatten ihm zwar all seine Waffen und die paar Rüstungsplatten abgenommen, allerdings hatten sie ihm wenigstens die Lederrüstung und die Überkleidung gelassen. Also dann, irgendwo mussten die Drei ja sein.
Cocan sah sich vorsichtig um. Nichts. Der Ausgang der Hütte zeigte in Richtung des Waldes, überhaupt war er sehr nah am Waldrand. Er hätte einfach abhauen können. Aber nur mit einem improvisierten Speer, vermutlich verfolgt von drei Elfen durch ein von Banditen, Gesocks und Menschhändlern verseuchtes Gebiet zu fliehen war auch nicht grade das was Cocan sich unter einem idealem Zeitvertreib vorstellte.
Er beschloss, dass er lange genug gezögert hatte und machte sich auf den Weg um seine Ausrüstung zu finden. Ohne das geringste Geräusch begann er um das Haus herum zu schleichen. An der Ecke hielt er kurz inne.
Vorsichtig schob Cocan seinen Kopf nach vorne und spähte in Richtung seines geplanten Weges. Was er sah verpasste seiner gerade besser gewordenen Laune schon wieder einen Dämpfer. Keine zwei Meter entfernt waren seine drei Enführer, zwei saßen, einer stand. Alle mit dem Rücken zu ihm.
Cocan atmete langsam und tief ein. Dann sprang er um die Ecke, schlug dem Stehenden die Beine unter dem Körper weg und traf mit der selben Bewegung einen der sitzenden Elfen am Kopf. Während der erste schon fiel, trat Cocan ihm schwungvoll vor den Kopf. Blieb noch einer. Dieser hatte sich mittlerweile erhoben und sein Schwert auf Cocan gerichtet. Doch erstaunlicherweise kam auch bei ihm bereits der zweite Angriff im Ziel an. Er rammte ihm den Speer in das vorgeschobene Bein, danach schlug er dem Elf das Ende des Schafts gegen die Schläfe.
Grade als Cocan davon überzeugt war seine Suche fortsetzen zu können, hörte er leises, höhnisches Gelächter hinter sich, vielleicht zwanzig, fünfundzwanzig Meter entfernt.
Er drehte sich um. Da standen die drei Elfen, zwei von ihnen die gespannten Bögen auf ihn gerichtet. Aber wen hatte er dann niedergeschlagen? Er drehte sich noch einmal kurz um. Da lagen genau die selben drei Elfen die jetzt auch hinter ihm standen und jederzeit bereit waren ihn mit ihren Jagdpfeilen am nächsten Baum festzuschießen.
Er wandte sich wieder den stehenden Elfen zu. "Ich denke wir wissen beide das du den Speer jetzt weglegen kannst, oder Cocan?", sagte der mittlere Elf ruhig wärend er zügig auf ihn zuschritt. Cocan dachte eine halbe Sekunde lang nach, dann ließ er den Speer fallen und entfernte sich einen Schritt von ihm. "So ist brav." Der Elf war fast bei ihm angelangt. "Prüfung bestanden, gut gemacht." Nun stand der Elf genau vor ihm, vielleicht noch dreißig Zentimeter trennten die beiden voneinander. "Okay okay okay, langsam. Erstmal, wieso weißt du meinen Namen? Dann, wie kannst du da hinter mir mit gebrochenem Schädel liegen und gleichzeitig vor mir stehen? Und zuletzt, wie habe ich denn bitte die Prüfung bestanden, es gab doch noch garkeine", brach es etwas ungestüm aus Cocan hervor. Der Elf konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen: "Ich antworte mal der Reihe nach auf deine Fragen. Also, deinen Namen weiß ich, weil bei deinen Sachen auch ein Brief ist in dem ein gewisser Cocan darum gebeten wird doch die Einrichtung des Wirtshauses zu bezahlen, die er im Suff zerschlagen hat. Das klang irgendwie nach dir. Dann, ich liege nicht da auf dem Boden. Allerdings muss ich zugeben, dass es für das ungeübte Auge so scheinen mag." Der Elf ging auf seinen am Boden liegenden Doppelgänger zu und kniete neben ihm nieder.
Vorsichtig griff er in die Brust des regungslosen Körpers. Als er die Hand zurück zog hielt er ein kleines Steinfigürchen in ihr, der Zwilling zerfiel in einem Wimpernschlag zu feinem grauen Staub. Das selbe tat er mit den anderen beiden am Boden liegenden Gestalten. Die drei mattschwarzen Figuren in einer Tasche seines Mantels verschwinden lassend, wandte er sich wieder Cocan zu. "Beeindruckend, oder? Mit diesen kleinen Dingern kann man verdammt echt aussehende Duplikate von so ziemlich allem und jedem anfertigen. Sie sind nur leider nicht sonderlich kampfstark, aber man kann ja nicht alles haben." Der Elf drehte sich um und bedeutete Cocan mit einer laschen Handbewegung ihm zu folgen. Im gehen fuhr er fort: "Und nun deine letzte Frage. Die Prüfung war es selbstverständlich zu entkommen. Oder zumindest dich zu befreien und die drei Sandfiguren hinterrücks zu überwältigen."
Der Elf war stehen geblieben. "Da liegen deine Sachen, was wir im Dorf so an Alkohol und komischem Kraut gefunden haben liegt daneben. Schlaf noch ein wenig, bei Morgengrauen brechen wir auf."

~

Sein abgewetztes Schwert als Krücke verwendend schleppte sich ein zerlumpter Krieger auf den Turm zu. Auf seiner Brustplatte war unter Staub, Schmutz und Blut noch das Siegel des letzten Königs zu erahnen. Seit nunmehr dreißig Jahren war der König tot, und einer seiner letzten treuen Heerführer wankte seinem Ende entgegen.
Kaum am oberen Ende der Treppe angekommen begann der alte Soldat mit dem blutigen Stumpf seines Linken Armes das verschwommene Muster auf den Türflügeln nachzuzeichnen. Das Tor sah aus als wäre es in letzter Zeit öfters auf diesem Wege geöffnet worden. Die Flügel schwangen knirschend auf, Körper und Gliedmaßen zerquetschend.
Im Turm stapelten sich die Leichen. Das Schwert wieder als Stütze benutzend begann der verkommene Offizier auf den Leichenhügel zu klettern. Nach den ersten Metern schlossen sich die zwei riesigen Metallplatten wieder zu einer festen Fläche hinter ihm zusammen, wartend auf den nächsten blutigen Wegzoll.
Oben auf dem Berg angekommen hielt der Krieger ein letztes Mal inne. Er dachte zurück an die Zeiten als noch die hohen Magier von hier aus das Reich geschützt hatten, und er zu denen gehörte die den Turm selbst bewachten das ihm kein Schaden geschah. Doch sie hatten alle versagt. Er schluchzte. Dann schlug er sich den Kopf von den Schultern.

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"Los, steh auf!" Cocan schlug die Augen auf. Die drei Elfen standen vor ihm, augenscheinlich Marschbereit. "Pack deinen Krempel zusammen und komm in die Füße, wir werden ohnehin länger brauchen, weil wir dich dabei haben. Wir werden jetzt kurz die nähere Umgebung erkunden, wenn wir zurück sind geht es los."
Cocan packte seine Sachen zusammen, nicht mit großer Eile, aber auch ohne zu trödeln. Als er damit fertig war begann er die Pfeife zu stopfen. Er steckte den Krautbeutel zurück in sein Bündel, setzte sich auf den Rest einer Mauer und begann genüsslich an der Pfeife zu paffen bis sie richtig brannte und streckte sich.
Eine Weile verging, Cocan hatte mittlerweile die Pfeife das dritte Mal gestopft und begann mit dem Gedanken zu spielen den Wein den die Elfen gefunden hatten anzubrechen. Die Elfen. Sie waren schon lange weg. Zu lange. Er wollte gerade die Pfeife ausklopfen, da sah er am Waldrand eine graue Gestalt auftauchen. Endlich, sie schienen wieder zu kommen. Auf diese Entfernung war es Cocan unmöglich festzustellen welcher der drei es war, selbst wenn sie vor ihm standen war es schwer. Wer auch immer es war, er schien zu rennen. Cocan stellte sich auf den Mauerrest und strengte seine Augen an. Selbst auf diese Entfernung erkannte er das etwas nicht stimmen konnte. Der Elf bewegte sich viel zu plump und grob für einen seiner Art. Und er blickte sich immer wieder um. Cocan sprang von der Mauer, schnallte seinen Waffengurt um und griff nach seinem Bogen. Noch einmal würde er nicht unterliegen. Nicht hier. Nicht heute.

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"Dann sind sie seit gestern unterwegs?" Die Stimme schallte dumpf durch den staubigen, grauen Saal, ehemals wohl Sitz eines Fürsten oder Königs. Vor langer Zeit. Aus dem Schatten der Säulen, welche den Weg zu Thronpodest flankierten, trat eine dunkle, nur entfernt menschlich anmutende Kreatur. Dunkler Nebel umwob sie. Sie antwortete in Richtung des in völliger Dunkelheit liegenden Podests: "Ja Herr. Und sie sind schnell."

~

Cocan legte einen Pfeil auf die Sehne und begann in Richtung des Elfen zu rennen, immer Deckung hinter den verbliebenen Ruinen suchend. Als er den Rand des Dorfes erreichte richtete er sich kurz auf und blickte im Laufen um. Dann duckte er sich und begann so schnell er konnte auf seinen neuen Weggefährten zu zurennen. Sie trafen in einer kleinen Senke, nicht weit vom Dorf entfernt auf einander. Der Elf blutete unverkennbar, ein großer rote Fleck breitete sich mit rasendem Tempo auf der grauen Robe aus. Er packte Cocan und riss ihn zu Boden. "Wir sind in einen Hinterhalt geraten, sie scheinen auf uns gewartet zu haben. Hätten wir mehr Zeit würde ich mich fragen wieso. Wir müssen..." Der Elf, den Cocan nun als den Anführer der kleinen Gruppe erkannte, brach mitten im Satz ab und begann Blut zu husten. Zahlreiche Stiche und Schläge schienen seinen Körper getroffen zu haben, zu viele als das ein Mensch sie hätte überleben können. Doch auch ein Elf kam in einem solchen Zustand an seine Grenzen, das konnte Cocan deutlich erkennen. Um so mehr beeindruckte ihn mit welcher Geschwindigkeit er noch gerannt war. Mit deutlich brüchigerer Stimme als zuvor begann der Elf wieder zu sprechen: "Vergiss das wir. Du musst fliehen. Wir sind auf Banditen gestoßen, wenn sie dich kriegen werden sie dich entweder töten oder verschleppen."
Cocan hielt inne. Eine Sekunde verstrich, eine zweite verstrich. Dann handelte er schnell. Er griff in sein Bündel und zog eine flache Ledertasche hervor. Er knöpfte den oberen Teil der Robe des Elfen auf und zerriss das Hemd darunter kurzerhand. Mit flinken Fingern öffnete er die Tasche und entnahm eine lange, schmale Zange. Das zerrissene Hemd als Lappen verwendend tupfte er das Blut von einem der kleineren Löcher und begann mit der Zange in der Wunde zu bohren. Der Elf verzog zwar ein wenig das Gesicht, zeigte sonst jedoch keine Reaktion. Cocan zog die Zange zurück. In ihr klemmte eine abgebrochene Pfeilspitze. Er griff nach einem kleinen Fläschchen das sich zwischen vielen anderen in der Ledertasche befand und gab ein paar Tropfen auf die Wunde. Dann machte er sich an den nächsten Einschuss. Während dessen begann er dem Elf hastig Fragen zu stellen. "Was ist mit den anderen Beiden? Wo sind sie? Wie geht es ihnen?" "Zuletzt sah ich sie auf dem Boden liegen, umringt von Banditen. Ich habe wenig Hoffnung für sie." Er zog erneut das Gesicht zusammen als Cocan eine weitere Pfeilspitze entfernte. Die Zange wieder im blutenden Oberkörper des Elfen versenkend fuhr er fort zu fragen: "Wie viele sind es? Was haben sie für Waffen? Los schnell, wir haben nicht viel Zeit bis sie hier sind." Scheinbar beunruhigt über das reißende Geräusch, das sein Körper unter Cocans Behandlung von sich gab antwortete er: "Ich habe zwölf gezählt, es sind jedoch höchstens siebzehn. Die meisten tragen Schwerter, ein paar haben Äxte, zwei hatten einen Bogen."
Mittlerweile hatte Cocan alle Pfeilreste und sonstigen Splitter entfernt und begann nun alle noch unbehandelten Wunden mit der Flüssigkeit aus der kleinen Flasche zu beträufeln. Als er fertig war knöpfte er die Robe des Elfen wieder zu, steckte das Fläschchen zurück und zog ein anderes hervor. "Trink das", sagte er in einem Ton der nur wenig Widerspruch duldete. Der Verwundete kam dem Befehl nach und leerte das Fläschchen in einem Zug. Das leere Fläschchen wieder verstauend erkundigte sich Cocan: "Wie ist überhaupt dein Name?" Der Elf richtete sich ein wenig auf und brachte so etwas ähnliches wie ein Lächeln zu stande: "Nenn mich Talebran, mein ganzer Name ist für Menschen ein wenig zu lang zum merken. Aber jetzt zurück zu wichtigeren Dingen: Was hast du da auf mich geschüttet? Und was sollte das andere grauenvoll schmeckende Zeug bewirken?" "Diese Tränke habe ich bei einer Kräuterfrau abgegriffen die der Meinung war sie müsse an mir neue Elexiere testen. Auch wenn ich bis jetzt nicht in der Lage war sie nachzumischen haben sie sich schon das ein oder andere Mal als relativ nützlich erwiesen", erwiderte Cocan, nicht ohne ein gewisses Maß an Selbstzufriedenheit. "Also", fuhr er fort , "wie geht es jetzt weiter? Hast du einen bestimmten Plan oder machen wir uns einfach auf den Weg?"
Der Elf lächelte und griff in eine Tasche seiner Robe. Zum Vorschein kamen viele der kleinen, schwarzen Figürchen, gegen deren Illusionen Cocan am Vorabend selbst noch gekämpft hatte. Mit leiser Stimme flüsterte Talebran auf die Figuren ein. Dann warf er sie in Richtung Wald. Noch im Flug nahmen sie die Gestalt großer, schlanker Elfen an. Sie liefen mit irrsinniger Geschwindigkeit auf den Waldrand zu, gleich würden sie ihn erreicht haben.
"Was soll das? Sogar ich habe drei von denen nieder gemacht, da werden die sieben die du geschickt hast nicht lange durchhalten." Cocan war ein wenig perplex. Das musste der Elf doch auch so wissen, ohne das er es extra nochmal erwähnen musste. Talebran setzte sich auf. Dann begab er sich in eine eher kniende Position und begann zu überprüfen was ihm noch an Waffen geblieben war. Während dessen klärte er Cocan über seine Pläne auf: "Die sollen nicht kämpfen, dafür sind sie nicht gemacht. Sie sollen sich einfach nur verteilen und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen während wir einen nach dem anderen ausschalten. Achja, dieses Kräuterzeug hat in der Tat geholfen, du solltest darauf acht geben." Der Elf erhob sich begann leicht geduckt los zu rennen. "Komm", rief er Cocan noch zu. Nach vielleicht zwei Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht. Sie waren am Waldrand, allerdings fast eine viertel Meile weiter links als da, wo die Puppenkrieger in den Wald eingedrungen waren. Cocan fühlte sich als würde er seine Lunge bei jedem Atemzug mit aus- und wieder einatmen. Elendes Kraut. Und elender Elf. Wie kann jemand nur so schnell rennen ohne auch nur schneller zu atmen? Talebran packte Cocan an der Schulter und zog ihn wortlos mit sich tiefer in den Wald hinein, bis sie an den Rand einer kleinen Lichtung kamen.
Was sie sahen war grauenvoll. Die beiden anderen Elfen hingen an ein Gestell gefesselt, überall am Körper zahlreiche Schnitte und Stiche verteilt. Auch schien es als seien mehrere Finger bei jedem der beiden amputiert worden. Offensichtlich waren sie zu Tode gefoltert worden. Talebran verzog das Gesicht, zog sein Schwert und blickte zu Cocan: "Wir werden Rache üben. Komm!" In seiner Stimme war etwas das keinerlei Widerspruch duldete, also beeilte sich Cocan ebenfalls nach seinen Waffen zu greifen. Die meisten der Banditen schienen die Puppenkrieger zu jagen, auf der Lichtung waren noch drei. Die beiden traten zwischen den Bäumen hervor. Nach wenigen Sekunden waren es drei Banditen weniger. "Jetzt gehen wir auf die Jagd", sagte der Elf mit kalter Stimme und nahm den Bogen vom Rücken. Cocan tat es ihm nach. Seite an Seite verließen beide die Lichtung, in Richtung der übrigen Banditen.

Mehrere Stunden waren vergangen seit Cocan und Talebran sich auf die Jagd gemacht hatten. Nun standen sie wieder auf der Lichtung, Talebran verstaute gerade die letzten der kleinen, schwarzen Figuren in einer seiner Taschen. Sie hatten in den Wäldern noch elf weitere Banditen zur Strecke gebracht, wenn noch welche übrig waren konnte man daran auch nicht viel ändern.
"Lass uns zum Dorf zurückkehren", presste der Elf mit einer Stimme hervor als wäre er kurz vor den Tränen. Offenbar hatten ihm seine Weggefährten viel bedeutet. Auf Cocans fragenden Blick antwortete Talebran: "Einer von ihnen war mein jüngerer Bruder. Geh du schon einmal vor, ich werde ihre Leichen noch in Brand stecken, damit sich kein Tier an ihnen vergeht."
Im Dorf angelangt packte Cocan all seine Sachen wieder zusammen und verstaute das Bündel mit den Tränken, das er unterwegs wieder aufgelesen hatte, in dem unförmigen Klumpen aus Lappen, Bündeln und Gurten. Vom Wald sah er eine dünne Rauchsäule aufsteigen. Talebran müsste gleich kommen. Cocan setzte sich auf sein Bündel und stopfte die Pfeife. Am Waldrand erkannte er den Elf. Diesmal schritt er langsam und gefasst auf die Ruinen des Dorfes zu.

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Die Bäume, lange waren sie schon so tot wie der Boden auf dem sie standen, warfen dunkle, scharfe Schatten. Auf einem kaum erkennbaren Pfad schritt gelassen ein alter Mann, in eine zerlumpte Robe gekleidet, auf den trüben Sonnenaufgang zu. Durch Staub und Nebel drang nicht viel vom Licht der Sonne, doch allmählich erkannte er am Horizont dem gezackten Umriss eines ehemals prächtigen Turmes, doch nun schon lange eine Ruine. Sich auf seinen Stab stützend, hielt er kurz inne. Dann setzte er seinen Weg fort.

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Sie waren nun schon seit zwei Tagen unterwegs. Seit sie vom Dorf aus aufgebrochen waren hatte der Elf kein Wort mehr gesagt. Doch Cocan störte das nicht sonderlich. Wenn Talebran den Tod seines Bruders verwunden hätte würde er schon wieder reden. Und bis dahin würde Cocan eben die Ruhe genießen. Wenn sie ihr Tempo bei behielten würden sie in etwa einer Woche auf eine Stadt treffen, so zeigte es zumindest die Karte die Talebran ihm zugesteckt hatte.

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Als Celvos erwachte brauchte er einen kurzen Moment um sich zu erinnern was geschehen war. Er war mit Talebran und Selvios in den Wald gegangen um die nähere Umgebung zu erkunden. Dann war alles ganz schnell gegangen. Selvios hatte drei Pfeile direkt in der Brust stecken gehabt als er einfach umfiel. Talebran hatte versucht durch den Ring, den die Banditen um sie gezogen hatten, zu brechen, doch musste dabei viele Treffer, sowohl von Bögen als auch von Schwertern einstecken. Ihm selbst schien es noch am besten ergangen zu sein. Er hatte sofort einen Rauchbeutel geworfen, einen Doppelgänger von sich geschaffen und war einen kleinen Abhang herunter gesprungen. Dummerweise war er mit dem Kopf auf einem Stein gelandet. Dennoch, vermutlich war er der einzige Überlebende.
Aber vielleicht waren Talebran und der junge Mensch noch am Leben, irgendwo verletzt vor sich hin sterbend. Oder in Gefangenschaft der Banditen.
Mühsam setzte er sich auf. Vermutlich gab es auf einer Lichtung in der Nähe ein Lager oder etwas ähnliches. Flink kletterte Celvos auf einen Baum. Sein Bruder hatte ihn einst gelehrt wie man kletterte, doch bereits nach kurzer Zeit hatte er ihn übertroffen. An der Spitze des Baumes angelangt blickte er sich um. Etwa eine Meile eintfernt stieg Rauch auf. Dort würde er nachsehen. Elegant sprang der schlanke Elf einfach vom Baum hinab und landete federnd auf den Füßen.
Wenige Minuten später hatte er den Rand der Lichtung erreicht. Hinter einem Gebüsch verborgen begann er sich einen Überblick zu verschaffen. Es waren mehr Banditen als die, von denen sie angegriffen worden waren. Etwa vierzig zählte er auf den ersten Blick. Ganz in seiner Nähe lag ein Aschehaufen. Beim näheren Betrachten erkannte er die Überreste von seinem Doppelgänger und Selvios. Auf der Lichtung tat sich etwas. Aus dem Schatten der Bäume trat eine vermummte Gestalt. Mit einer krächzenden Stimme die in den Ohren schmerzte fragte sie: "Habt ihr sie? Oder wenigstens den Jungen?" Einer der Banditen, augenscheinlich der Anführer, kniete vor dem Vermummten nieder und begann zu beteuern: "Wir wissen nicht wie er entkommen konnte. Vierzehn meiner Männer sind tot, viele sind vermisst. Aber wir haben zwei der Elfen getötet." Zunächst geschah nichts. Dann zog die dunkle Gestalt zwei schmale, schwarze Schwerter hervor. Wenige Sekunden später waren alle auf der Lichtung tot.
Celvos lief ein kalter Schauer über den Rücken. Was er eben gesehen hatte war beeindruckend und furchteinflößend zugleich gewesen. Nicht einmal er konnte sich so schnell bewegen. Da sprang auf der anderen Seite der Lichtung jemand in grauer Robe aus dem Gebüsch. Etwas wie brennende Seile kam aus seinen Händen. Selvios! Offenbar hatte auch er es irgendwann geschafft die Plätze mit einem der Puppenkrieger zu tauschen.
Die Seile aus Selvios' Händen begannen sich um die dunkle Gestalt zu winden. Celvos sprang hervor, fest entschlossen dem Gefährten beizustehen. Er zog sein Schwert und fuhr mit den Fingern der linken Hand über die Klinge. Sie fing Feuer. Mit brennendem Schwert begann er auf die Kreatur einzuprügeln. Selvios warf ihm einen erleichterten Blick zu.
Als sie ihn schließlich niedergerungen hatten fesselte Selvios den Unbekannten mit seinen magischen, brennenden Seilen. Vorsichtig, die Spitze seines Schwertes benutzend, zog Celvos der Gestalt die Karpuze ab. Was sich zeigte war schrecklich und widerwärtig. Das Gesicht war eingefallen, so als hätte man einen Totenschädel mit Haut bezogen. Die Augen lagen tief in den Höhlen und waren komplett schwarz. Außerdem war der Fremde über und über von kleinen, bläulich-schwarzen Käfern bedeckt, sodass man weder viel von der Haut sah, noch durch das Gewusel der kleinen Tiere irgendwelche Gesichtszüge hätte erkennen können.
"Wer bist du? Was tust du hier?" Selvios Stimme war hart und befehlend. Doch die Kreatur begann nur schaurig zu lachen. Die Käfer begannen schneller übereinander zu krabbeln. Einige begannen sich in die blasse, ledrige Haut zu bohren. Nach wenigen Sekunden war nur noch ein Gerippe in der dunklen Kutte, die Käfer jedoch entfernten sich schnell über den Waldboden, alle gen Osten.
"Nun, da kann man wohl nichts machen", bemerkte Selvios gelassen. "Lass uns zur nächsten Stadt gehen. Wenn wir uns beeilen sind wir in drei Tagen da." Die beiden Elfen brachen auf.

Etwa vier Tage waren vergangen, seit Selvios und Celvos von der Lichtung aufgebrochen waren. Nun graute der Morgen hinter den Wipfeln des weit entfernten Waldrandes auf der anderen Seite des breiten Tals. Vor ihnen lag eine riesige Stadt. Hier konnte man alles kaufen, wenn man nur ausreichend Geld mitbrachte. Auch die Banditen aus den umliegenden Gegenden kamen in regelmäßigen Abständen hierher, um den Krempel und die Wertsachen, die sie den Reisenden abgenommen hatten, gewinnbringend loszuwerden.
Die Stadt stank nur so nach Verbrechen und Sünde, aber innerhalb der Mauern hatte man, wenn man die anderen Leute in Ruhe ließ und keine all zu leichte Beute abgab, eigentlich nicht viel zu befürchten. Durch die Nebelschwaden, die noch um die Bäume und Sträucher waberten näherten sich die Beiden der Stadt.

~

Etwa zur selben Zeit erwachten Cocan und Talebran. Auch wenn die Reise beschwerlicher war als sie erwartet hatten, so hatten sie sich doch in den letzten vier Tagen gut erholt, und auch eine starke Freundschaft entwickelt. Cocan traute dem Elfen jetzt schon mehr als jedem Menschen den er kannte. Auch Talebran empfand starken Respekt für den jungen, noch so naiven Menschling. Immerhin hatte er sein Leben riskiert um ihn zu retten, obwohl er und die anderen Beiden ihn am Vorabend noch gefesselt in einer Ruine hatten sitzen lassen.
Bis jetzt hatten sie nicht viel geredet, höchstens mal ein paar Worte gewechselt. Sie packen ihre Bündel zusammen und brachen erneut Richtung Sonne auf, wie schon die Tage zuvor.
Als die Sonne am höchsten stand, machten sie Rast und der Elf begann ein kleines Feuer zu entzünden, während Cocan nach einem Hasen oder etwas ähnlichem Ausschau hielt.
Für einen Menschen hatte er außergewöhnlich scharfe Augen, in der Ferne, vielleicht hundert Meter entfernt sah er was er suchte. Er hob den Bogen und legte einen von den Pfeilen, die er und Talebran aus dem Banditenlager mitgenommen hatten, auf die Sehne. Er zog langsam und gleichmäßig bis zum Kinn durch, hielt einen Moment inne und schoss.
Er senkte den Bogen und sah in der Ferne den Pfeil durch das Genick des Kaninchens dringen. Gemählich schlenderte er los um seine Beute einzusammeln. Als er zurückkehrte, hatte der Elf bereits ein prasselndes Feuer entfacht. Mit geübten Fingern begann Cocan den Hasen zu häuten und die Innereien entfernen. Der Hals war ungewöhnlich muskulös, also zog er eines seines Schwerter und schlug ihn kurzerhand ab. Talebran blickte vom Feuer auf und schaute auf die schlanke, leicht gebogene Klinge in Cocans Hand, über die langsam das Blut des kleinen Tieres lief. Er schien kurz noch die Augen anzustrengen, dann wandte er sich wieder dem Feuer zu.
Nachdem sie gegessen hatten setzten sie ihren Weg fort. Doch irgend etwas war anders. Der Elf schien seinen Begleiter immer dann zu mustern wenn dieser es gerade nicht zu bemerken schien, auch fiel sein Blick oft auf die Schwerter die nebeneinander am Gürtel hingen. Doch auch wenn er abwesend und verträumt schien, Cocan entgingen die verstohlenen Blicke des Elfen nicht, als er begann darauf zu achten fiel es ihm noch öfter auf.
Der Abend nahte. Wieder das selbe Spiel. Sachen ablegen, der Elf begann ein Feuer zu entzünden, Cocan suchte ein Tier. Als sie beide gemächlich neben den wärmenden Flammen saßen und ihren Teil des Wildhuhns das Cocan geschossen hatte aßen begann Talebran das erste Mal von sich aus ein Gespräch: "Wie kommt es eigentlich, dass du in deinem Alter schon durch die Welt streifst, noch dazu besser gerüstet als viele Krieger deiner Rasse auf der Höhe ihrer Kraft und ihres Wohlstandes?" Das war es also. Der Elf wollte wissen wo Cocan seine, zugegebenermaßen hervorragenden, Schwerter hatte. Er schluckte den Rest Fleisch den er im Mund hatte herunter und begann zu erzählen: "Meine Eltern starben als ich grade zwei Sommer alt war. Unser Haus stand ein wenig abseits vom Dorf, auf einer kleinen Lichtung. Ich war im Dorf um mit den anderen Kindern zu spielen, die große Schwester eines Spielgefährten gab auf uns acht. Sie schien ein wenig die Zeit vergessen zu haben, jedenfalls machte sie sich erst mit mir auf den Weg zu mir nach Hause, als die Sonne schon längst untergegangen war. Ich erinnere mich noch genau daran das ich ein seltsames, orangenes Licht von dort her kommen sah wo unser Haus sein musste. Als wir auf der Lichtung ankamen sah ich gerade meine Mutter, brennend, genau wie die Hütte hinter ihr aus der Tür fallen, in der Hand ein dickes Lederbündel das sie der hysterisch schreienden Aufpasserin zuwarf. Dann zeigte sie mit zitterndem Finger und letzter Kraft auf eine vermummte Gestalt am Rand der Lichtung. Selena, so hieß die große Schwester des besten Freundes den ich damals hatte, packte mich und das Bündel und rannte Richtung Dorf. Über ihre Schultern blickend sah ich die schwarze Erscheinung hinter uns her kommen, da brach mein Vater, ebenfalls mit letzter Kraft und vom Feuer gezeichnet, mit einer schweren Kriegsaxt in der Hand durch die brennende Wand des Hauses.
Ein paar Wochen wohnte ich bei der Familie meines Freundes und seiner Schwester. Etwa eine Woche nach dem Feuer wurden meine Eltern auf der Lichtung bestattet, gerade da wo unser Haus gestanden hatte." Cocan machte eine Pause. Er hatte sichtlich mit den Tränen zu kämpfen, versuchte jedoch es zu überspielen. Er nahm einen großen Schluck Met aus der ledernen Flasche die neben ihm lag, zog einen brennenden Scheit aus dem Feuer und entzündete damit seine Pfeife. Mit leicht zittriger Stimme fuhr er fort: "Nach einem weiteren Monat wurde ich von meiner Tante und meinem Onkel abgeholt. Als ich abgeholt wurde sah ich das Lederbündel das erste Mal bei Tageslicht, als mein Onkel es entgegen nahm. Es waren viele kleine Schriftzeichen in das verwitterte Leder gebrannt. An viel mehr aus dieser Zeit erinnere ich mich auch nicht mehr.
Auf jeden Fall wuchs ich ab da bei meiner Tante und meinem Onkel auf. Bis vor etwa zwei Monaten. Ich war gerade im Wald um ein paar Pilze, Beeren und wildes Kraut zu ernten, als es eigentlich Essen geben sollte. Doch meine Ersatzeltern hatten sich längst daran gewöhnt das ich öfters mal länger weg war, so lange ich irgendwann im Laufe der Nacht den Weg in mein Bett fand, waren sie zufrieden. Es dämmerte schon der Abend als ich Heim kehrte. Ich betrat das Haus und ging sogleich in die Küche, ich war nämlich relativ hungrig. Ich sah meine Tante regungslos auf dem Boden liegen. Ich dachte im ersten Moment, dass sie nur schlafen würde, doch schon im selben Moment wurde mir klar das sie tot war. Ich begann mich auf die Suche nach meinem Onkel zu machen. Ich fand ihn in seinem Schlafzimmer, neben dem Bett liegend. Er war noch bei Bewusstsein. Er zeige auf ein paar locker erscheinende Bodendielen, dann verließ auch ihn die Kraft. Zunächst wusste ich weder, was er wollte, noch was ich nun tun sollte. Nach einigen Stunden ging ich ins nahe gelegene Dorf und begann das Begräbnis zu veranlassen. Als meine letzten Verwandten auch unter der Erde waren, begann ich im Haus herum zu streifen. Irgendwo musste das Lederbündel meiner Eltern sein, dachte ich mir. Da erinnerte ich mich an den flehenden Blick meines Onkels als er auf die Bodendielen zeigte." Cocan legte erneute eine Pause ein und stopfte die Pfeife neu. Der Elf hatte während der ganzen Erzählung nicht einen Muskel bewegt. Hätte er nicht die Augen offen gehabt hätte man denken können er würde schlafen.
Cocan nahm einen tiefen Zug aus der Pfeife und setzte erneut an: "Natürlich fand ich das Lederbündel unter den Brettern. Die Zeichen auf der Außenseite waren eine Art Brief. Es schien eine Art Elfenschrift zu sein, ich habe kaum etwas davon verstanden, vielleicht kannst du es mir nachher einmal übersetzen. Auf jeden Fall habe ich 'Mondscheinsaal', 'Kristallkrone', 'alte Ordnung' und 'Lethovna' entziffern können. Im inneren des Bündels war alles was ich nun am Leib trage. Mit Ausnahme der Flasche und der Pfeife."
Talebran sah ein wenig aus als hätte er einen starken Schlag auf den Kopf erhalten. "Gib mir das Lederstück", verlangte er hastig. Cocan war zwar ein wenig verwundert über die plötzliche, für diesen so untypische Eile des Elfen, griff aber dennoch unter das Bruststück seiner Rüstung und zog das Leder hervor. Der Elf riss es ihm förmlich aus den Händen und begann sofort zu lesen: "Dies Gepäck ist zu Händen der Nachfahren des letzten Herrschers zur Zeit der alten Ordnung zu geben, auf das der Nachfolger des Thrones es in der Stadt der Hoffung, Lethovna erhalte und seinen rechtmäßigen Platz im Mondscheinsaal unter der Kristallkrone einnehme. Gezeichnet Brogan, ehemaliger Novize und jetzt letzter Bewahrer des Lebens."
Talebran hielt einen kurzen Moment inne, dann ging alles rasend schnell: "Wir müssen hier weg, in die nächste Stadt und von dort weiter nach Lethovna. Pach deine Sachen, los los los." Die letzten Worte schrie der Elf fast. Während Cocan die Sachen packte und eilig das Feuer löschte blickte sich der Elf panisch um. "Das muss schneller gehen", stieß er hektisch hervor. Er zog einen etwa fingerlangen Stab aus schwarzem Stein aus seiner Robe hervor und begann unverständliches Zeug zu murmeln. Schließlich warf er den Stab vor sich, scheinbar geschwächt. Der Stab verwandelte sich in ein gigantisches, schwarzes Pferd, die Schulter des Tieres war fast drei Meter über dem Boden. Der Elf packte Cocan, hob ihn auf das Pferd, reichte ihm das Gepäck und sprang selbst geschwind auf. Er flüsterte dem Tier etwas ins Ohr, und sogleich begann es mit abnormer Geschwindigkeit los zu rennen. Talebran blickte sich um, Cocan tat es ihm gleich. Die ängstliche Eile des Elfen schien berechtigt gewesen zu sein, denn hinter ihnen begann eine Schwärze den Himmel zu überziehen, dunkler als eine Nacht es jemals hätte sein können. Etwas unvorstellbar böses war hinter ihnen, doch scheinbar war das gigantische Tier unter ihnen schnell genug um einen Vorsprung zu erhaschen.
Sie ritten weiter in die dunkle Nacht, in der Hoffnung Krodosant, die von Banditen und Gesocks verseuchte Stadt zu erreichen bevor ihr Pferd erschöpft war.

2 Kommentare:

  1. So, das erste Kapitel. Ich gehe fest davon aus, dass es diverse Rechtschreib- und Grammatikfehler darin zu finden gibt, womöglich habe ich auch hier und da ein Wort vergessen. Und falls du zu denen gehörst die sich bis zum Ende des Posts durchgequält haben kannst du den Blog auch ruhig teilen ;-)

    Greetings and cookies,
    Jan

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  2. So, ich habe das erste Kapitel noch mal ein bisschen überarbeitet, beziehungsweise die netten und hilfreichen Ratschläge beherzigt die mir gegeben wurden. Zweites Kapites ist schon intensiv in Arbeit :)

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